Fischen im Pariser Müll

Stifterhaus: Ausstellung „Aus Paris“ zum Dichter Hans Eichhorn

Der Dichter Hans Eichhorn, 1956 in Vöcklabruck geboren, signiert eine „Bildpostkarte“. © Gruber

Die Poesie ist auch eine Lebenshaltung. Der Dichter Hans Eichhorn, noch kurz vor seinem Tod am 29. Februar 2020 in Attersee am Attersee mit dem Heinrich-Gleißner-Preis ausgezeichnet, war unermüdlicher „Wort-Fischer“. Das Handwerk des herkömmlichen Fischens von seinem Vater gelernt, waren die Bootsausfahrten auf den Attersee Eichhorns seelische (und praktische) Labsal. Legendär die Episode, als Eichhorn aus 90 Metern Tiefe die Geldbörse herausfischte, die er dort 20 Jahre zuvor verloren hatte. Ein Zufallsfund, das passte zu Eichhorn.

Was nun, wenn dieser durch und durch poetische Mensch auf die – noch immer – Kunst- und Weltmetropole Paris losgelassen wird? Eichhorn kannte natürlich die Stadtmythen. Auf den Postkarten Bogart & Bergmann zu erkennen („Casablanca“) oder Philosophen-Superstar Sartre. Aber „gefischt“ hat Eichhorn nach diesen Fundstücken im Pariser Müll. Egal, ob Filmlegenden oder schnöde Papierschnipsel – der Poet nimmt alles wertfrei auf, unterscheidet zunächst nicht zwischen wichtig und unwichtig (insofern der Dichter stets in ungefragter Opposition zur herrschenden Ordnung, die immer auf Scharz-weiß-Mustern basiert).

2010 hatte Eichhorn ein Arbeitsstipendium der Stadt Linz erhalten im Rahmen des Projekts LinzEXPOrt. Vier Wochen in Paris, in denen ihn ein „Schreib- und Kartenbastelfieber“ erfasste, wie er auf einer Postkarte vermerkte. Die Postkarten selbst Kunstwerke, Eichhorn griff eine längst verblassende Tradition auf, gestaltete die Postkarten beseelt und aufwändig. Fundstücke zu Collagen gebastelt, oft übermalt, abstrakt, mit dicken Pinselstrichen, nahe verwandt der von Eichhorn sehr geschätzten Methode des „automatischen Schreibens“ (in etwa: Schreiben ohne Plan, das Unbewusste anzapfend). Die Postkarten schickte Eichhorn an Regina Pintar vom Linzer Stifterhaus, die Literaturhaus-Chefin konkrete Person und fiktive Ansprechpartnerin, quasi Linzer Anlaufstelle. Geschrieben hat Eichhorn auf diese Postkarten kurze Texte, Impressionen, Splitter, Eindrücke vom „Rand“, auch Selbstbefragungen, Zweifel.

Liebevoll, flüchtig

Die Ausstellung „Aus Paris“ im Stifterhaus versammelt nun diese 116 etwa 20 mal 30 Zentimeter große „Bildpostkarten“ Eichhorns, die 117. anhand von Notizen Eichhorns rekonstruiert. Einblick in Denken und Arbeitsweise des Dichters, luftig und liebevoll gestaltet, im Zentrum Postsäcke, sinnbildlich auch für das Flüchtige der Kunst, der Existenz. Eichhorn auf den Spuren von – diese Ebenen dezent in die Ausstellung eingearbeitet – Walter Benjamins „Passagen-Werk“ eines Flaneurs und (gescheiterte) Suche nach dem Grab des deutsch-französischen Künstlers namens Wols. Kunst des Reisens, „mit dem Taschenmesser, dem Zeigefinger auf dem Stadtplan“.

„Aus Paris“ im Linzer Stifterhaus: bis 15. November, Dienstag bis Sonntag 10 bis 15 Uhr, zur Ausstellung ist eine Publikation erschienen.

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