Flieg, Herr Marienkäfer, flieg!

Brad Pitt als lässiger Auftragskiller im rasant-blutigen „Bullet Train“

Was für ein Früchtchen, was für ein Käfer: Die Auftragskiller Tangerine — zu Deutsch Mandarine (Aaron Taylor-Johnson) — und Ladybug (Brad Pitt) treffen im Zug aufeinander.
Was für ein Früchtchen, was für ein Käfer: Die Auftragskiller Tangerine — zu Deutsch Mandarine (Aaron Taylor-Johnson) — und Ladybug (Brad Pitt) treffen im Zug aufeinander. © Sony Pictures

Mansplaining oder Herrklärung: Das ist, wenn ein Mann einer Frau das Offensichtliche erklärt. Damit einhergeht die Meinung des Herren, er wisse mehr als die Frau.

In „Bullet Train“ erklärt Ladybug, also Marienkäfer, der Wespe, dass es eine blöde Idee war, nur eine Dosis Gegenmittel bereitzuhalten, wenn man mit einer Injektion tödlichen Gifts unterwegs ist. Das Gift hat beide erwischt, das rettende Spritzerl nur den Käfer. Der erkennt seine Überheblichkeit, was, soviel sei verraten, der Wespe auch nicht mehr hilft.

Nein, „Bullet Train“ ist keine tierische Fabel (obwohl noch ein Wolf vorkommt), es ist der neueste Wurf von Regisseur David Leitch („Deadpool 2“), basierend auf einem Roman von Kotaro Isaka. Man könnte meinen, er sei Japans Agatha Christie. Menschen in einem Raum, sogar in einem Zug, „gefangen“ und am Ende eine Auflösung.

Wer es schafft, in einem völlig überdrehten Blutrauschmassakerwahnsinn mit irrwitzigen Begegnungen und Dialogen auf engstem Raum zu entspannen, weil dank der gleichzeitigen Logik und Unlogik die wahre Welt zu weniger als einem kleinen Punkt auf dem Marienkäfermäntelchen wird, der ist bei der Action-Komödie „Bullet Train“ perfekt untergebracht.

Achten Sie darauf, ob Sie jemand Diesel nennt!

Ladybird, erfahrener aber zweifelnder Auftragskiller, hat den Auftrag in einem Hochgeschwindigkeitszug von Tokio nach Kyoto einen Koffer an sich zu nehmen und so rasch als möglich auszusteigen. Man ahnt — so einfach wird die Sache nicht. Da ist auf der einen Seite die leichte Midlife-Krise des von Brat Pitt grandios lässig dargestellten Berufsumbringers, der nach Frieden sucht und so oft Pech findet. Erschwerend kommt hinzu, dass er nicht der einzige professionelle Kriminelle an Bord ist. Apropos Zug. Ladybugs britischer Kollege — Codename Lemon, wie die Frucht (Brian Tyree Henry) — ist ein wahrer Menschenkenner und weiß rasch, welchen Charakter sein Gegenüber in der Kinderserie „Thomas, die kleine Lokomotive“ verkörpern würde. Und das bedeutet mehr, als Sie wahrscheinlich je geahnt hätten. Achten Sie künftig darauf, ob Sie jemand „Diesel“ nennt!

Die Figuren — von Lemons Bruder Tangerine (Aaron Taylor-Johnson) bis zur Girlie-Killerin The Prince (Joey King) — sind herrlich überbordend, die Kampf- und Actionszenen versprühen nicht nur Esprit, sondern auch literweise Blut, die Moral der Geschichte verändert sich minütlich und selten ist ein Film von über zwei Stunden Länge so rasant und kurzweilig. Natürlich lässt Quentin Tarantino an vielen Ecken grüßen, aber — und eine japanische Erzählung mit dieser Moral gibt’s sicher! — manch’ Schüler kann seinen Meister be-lehren.

Ob es am Ende das viel besprochene Schicksal ist, das Auftragskiller Ladybug Ruhe bringt, oder doch nur eine Flasche Fiji-Wasser, ihm bleibt nach diesem Gemetzel bei 350 km/h zu wünschen: Flieg, Herr Marienkäfer, flieg — und finde deinen Frieden!

Von Mariella Moshammer

Das könnte Sie auch interessieren