Fließen, flüstern, Anteil nehmen

Ausstellung: Zur Schriftstellerin Eugenie Kain im Stifterhaus

Eugenie Kain
Eugenie Kain © Gust Maly

„Viele meiner Träume und Wünsche habe ich hier abgelegt oder in den Wind geblasen wie die weißen Fallschirme des Löwenzahns“ (aus der Erzählung „Chill out“).

Ein Fließen in den Texten Eugenie Kains, die Schriftstellerin flocht gerne Träume ein, knüpfte an die (Un-)Bewusstseinsströme eines Sigmund Freud oder Franz Kafka an. Schrieb über das Leben, beschäftigte sich mit ihrer Todeskrankheit, dem Krebs, arbeitete die eigene Sterblichkeit in „Just another city“ oder eben in „Chill out“ auf.

Die existenzielle Schriftstellerin, wenn man so will. Dann war da auch die engagierte Linzer Intellektuelle, im Schreiben wie im Leben. Völlig fernab von Vereinnahmung (und Missbrauch) der „kleinen Leute“, die der Populismus mittlerweile europaweit abzockt, interessierte sich Kain tatsächlich für die Abgehängten, für die Randexistenzen. Sie recherchierte vor Ort, der Umsetzung in einen literarischen Text ist ein eigenes Kapitel einer wundersamen Ausstellung im Linzer Stifterhaus gewidmet. Kains Entwürfe hierarchiefreie handschriftliche Skizzen, assoziativ und optisch wie ein Wurzelwerk.

Die Ausstellung „Beim Schreiben werde ich mir fremd. Eugenie Kain (1960–2010)“ ist ein kenntnisreich gestalteter Rundgang durch die Gedankenwelt der mehrfach ausgezeichneten (2007 OÖ. Landeskulturpreis) Schriftstellerin. Die dem Haus selbst eng und freundschaftlich verbunden war, wie Stifterhaus-Direktorin Petra-Maria Dallinger sagt: „Für uns ist sie mehr als ,nur’ Dichterin.“

Sechs Stationen der Ausstellung, die erste betitelt „Gehen“. Das Spazieren, Wandern und Reisen für Kains Figuren wiederholt eine Form der Selbsterfahrung, die Kuratorin Nicole Streitler-Kastberger sagt dazu: „Wer mit dem Fremden in Kontakt tritt, muss sich mit sich selbst auseinandersetzen.“ Das Gehen wichtiges Element etwa der Erzählung „Flüsterlieder“ von 2006. Die Protagonistin muss nach dem Tod des Geliebten — autobiografische Erschütterung Kains — nicht nur das Gehen neu lernen.

Menschenfreundliche, stille Schreibende

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„Fließen“, „Arbeiten“, „Träumen“, „Leben“, „Schreiben“ die weiteren Stationen. Notizbucheinträge, Begehung abgelegener, Erinnerung an verschwundene Orte, Friedhof in Ebelsberg, Harter Plateau, Ort sexueller Gewalt in „Atemnot“ (2001). Die Donau, immer wieder Beschreibung von Menschen am Fluss oder auf dem Schiff. Venedig! — Kulisse und Seelenort im Roman „Hohe Wasser“ (2004). Hübsche Fundstücke wie die auf einem Apothekensackerl (!) verschriftete Liebeserklärung des Lebensgefährten, des 2002 verstorbenen Liedermachers Gust Maly.

Eine stille, menschenfreundliche Schreibende, der „Markt“ behagte Kain nicht. Eine bedeutende literarische Stimme, Herzensapell der Chefin des Hauses Dallinger: „Kain sollte unbedingt gelesen werden.“

Katalog zur Ausstellung 5 Euro. Bis 27. Mai 2021, Dienstag bis Sonntag 10 bis 15 Uhr. Freier Eintritt

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