Flucht in das Selbstgelächter

Tobias Moretti las in Gmunden Thomas Bernhards Roman „Beton“

Sensibel und mitreißend bei den Salzkammergut Festwochen Gmunden, als Jedemann derzeit in Salzburg: Tobias Moretti
Sensibel und mitreißend bei den Salzkammergut Festwochen Gmunden, als Jedemann derzeit in Salzburg: Tobias Moretti © Rudi Gigler

Die unvollendeten, oft nicht einmal begonnenen Studien in den Romanen Thomas Bernhards: Sind die scheiternden Geistesmenschen Ausweichmonster?

Die sich aus schlechten Gründen das falsche Thema gesucht haben?

Rudolf, Ich-Erzähler in „Beton“, hat seit zehn Jahren noch kein Wort einer Studie zu Felix Mendelssohn Bartholdy zu Papier gebracht. Schuld ist seine Schwester, denkt er. Ist die Schwester nach ihrem Besuch endlich aus dem Haus, werden die Fenster aufgerissen. Das Haus sodann ein „Eiskasten“, der sehr sensible Rudolf droht zu „erfrieren“.

Verdammung der Schwester, mit ihr gleich der ganzen Fortpflanzung: „Die Eltern machen ein kleines Kind und setzen damit ein Ungeheuer in die Welt.“

Der Freitag bei den Salzkammergut Festwochen Gmunden, Tobias Moretti las im Gmundner Toscana Congress Thomas Bernhard. Der Schauspieler, derzeit auch als Jedermann in Salzburg auf der Bühne, will unspektakulär anfangen, aber eine Applauswelle spült ihn aus dem Sessel hoch. Hallo und Verbeugung, muss sein, dann fast zwei Stunden sensibler und mitreißender Vortrag.

Er spiel Bernhards ironisches Spiel mit

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Moretti lässt sich genussvoll von der Komödiantik im ersten Teil von „Beton“ tragen. Er hat Bernhards „Selbstgelächter“ tief inhaliert, spielt das ironische Spiel des Autors mit, der in der Figur des Rudolf auch seine Rolle als monolithische Gestalt desavouierte. Moretti mit weiten Gesten, die Hände tänzeln um die Wörter, mit denen Rudolf in seinem Kopf umrührt. Im Kopf spricht auch die Schwester, sie hat Spaß am Leben, während Rudolf alles verachtet, vor allem sich selbst.

Nuanciert arbeitet Moretti die Pointen heraus, betont zum Gaudium der Besucher lokale Gegebenheiten (der banausische „Internist aus Vöcklabruck“!). Ruhig und fast zärtlich Tobias Morettis Stimme, wenn sich der Autor im Roman mit seiner Krankheit zum Tode zu erkennen gibt. Rudolf wie sein Schöpfer schwer lungenkrank, die Flucht in den feuchtkalten Monaten nach Palma de Mallorca eine Überlebensnotwendigkeit.

Hier, am „warmen Mittelmeeröferl“ (Bernhard im legendären Interview mit Krista Fleischmann), kippt auch die Story von „Beton“.

Rudolf tief getroffen vom entsetzlichen Unglück eines jungen Paares, er greift zu Schlaftabletten, erwacht „erst sechsundzwanzig Stunden später in höchster Angst“. Ende des Gelächters, der Tod ist konkret. Oder Mitgefühl der Spalt zum Leben?

Das Publikum dankte mit langem Beifall.

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