Fotografie, die in seelische Abgründe blickt

Francisco Carolinum Linz zeigt erstmals in Österreich Retrospektive zu Roger Ballen

Sgt F de Bruin, Department of Prisons Employees, Orange Free State, 1992
Sgt F de Bruin, Department of Prisons Employees, Orange Free State, 1992 © Roger Ballen

Der Chef der OÖ. Landes-Kultur GmbH, Alfred Weidinger, rührt im Land museal ordentlich um. Ständig neue Ausstellungen, viel mediale Präsenz, Aktualität, Einbindung des Publikums. Das Francisco Carolinum, vor Weidinger die Landesgalerie, öffnet er jetzt nicht nur, indem er die Schwerpunkte Fotografie und Medienkunst setzt, sondern auch architektonisch: Wände, die nachträglich eingezogen worden waren, wurden niedergerissen, neue Lichtquellen und Räume für den Museumsbetrieb erschlossen und so nicht nur das 125 Jahre alte Gebäude in seiner ursprünglichen Pracht sichtbarer, sondern auch neue Möglichkeiten eröffnet. Im zweiten Obergeschoß ist damit wieder ein Rundgang möglich, der sich gerade bei der aktuellen Ausstellung als ideal erweist.

„The Place of the Mind“ ist die erste museale Gesamtschau, die zum weltbekannten US-Fotografen Roger Ballen (Jg. 1950) in Österreich gezeigt wird. Raum für Raum, Serie für Serie geht man in der Retrospektive dessen Entwicklung im FC, wie man das Francisco Carolinum jetzt gern abkürzt, nach. Bestens kuratiert, anschaulich präsentiert (dickes Lob an Gabriele Hofer-Hagenauer) und bis 14. Februar zu sehen.

Zunächst sind da die ersten fotografischen Arbeiten des jungen Ballen im Stile der großen Magnum-Fotografen. Ballens Mutter gehörte ihnen an. Die Aufnahmen dokumentieren auch Ereignisse wie Woodstock. Auf einem Foto sieht man, wie ein Bub einen Frosch zerquetscht: Schon in der Serie „Boyhood“ beschäftigt sich Ballen mit der Psyche des Menschen, mit Abgründen.

Dokumentation und Fiktion

Ballen hat Psychologie und Geologie studiert, davon fließt viel in seine schaurig-schönen Arbeiten ein. Als Fotograf ist er Autodidakt. Nach dem frühen Tod seiner Mutter bereist er die Welt und lässt sich schließlich mit seiner Frau im südafrikanischen Johannesburg nieder, wo er sich als Geologe selbstständig macht. Mit der Kamera hält er verwahrloste Dörfer von Minenarbeitern fest, später zeigt er in spannenden Porträts, dass es in Zeiten der Apartheid auch unterprivilegierte Weiße gab. Quadratische Formate richten den Fokus auf die Porträtierten. Ballen gelingt damit der internationale Durchbruch.

Nach und nach wird die Inszenierung und damit Fiktion immer wichtiger im Werk des Fotografen und so auch der Blick nach Innen. Außenseiter rücken in den Fokus, psychische Zustände, er reflektiert die Beziehung Tier-Mensch, immer wieder tauchen Details wie Drahtgeflecht oder Zeichnungen auf, die man nicht so recht zuordnen kann und die Raum für eigene Assoziationen lassen.

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Ballen geht an besondere Orte wie ein altes Fabriksgebäude, in dem Taglöhner und Kriminelle hausen. Lange sucht er solche Orte immer wieder auf, gewinnt das Vertrauen der Menschen, die sich in seine Fotografien einbauen und sich damit in die Seelen blicken lassen. Ballens Werk wird indes immer düsterer.

Düster, aber mit Ironie

„Geisterzeichnungen“ nennt er Arbeiten, die stark ins Zeichnerische gehen: Auf colorierten Glasplatten kritzelt er, lässt chemische Prozesse wirken und lichtet das Ergebnis ab, das gleich darauf abgewaschen wird.

2007 entdeckt Ballen, der bis dorthin nur schwarz-weiß und analog gearbeitet hat, digitale Fotografie und Farbe und wird selbst Teil seiner Bilder: Als Roger the Rat, halb Mensch, halb Ratte, stellt er schlimme Situationen nach, ohne dabei Ironie und Witz vermissen zu lassen.

Zu den bekanntesten Arbeiten zählt das Video „Die Antwort“ (2012), das Ballen mit südafrikanischen Musikern gestaltet hat: Damit kann man sich im letzten Raum eine coole Dröhnung und einen Höhepunkt geben.

Im Wochenabstand folgen nun zwei weitere Fotoausstellungen. Was man schon sehen kann: Weidingers Pläne gehen auf!

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