Frauen zwischen Mut und Verrücktheit

„Feminismus“ ist ein Begriff der Neuzeit, aber das Anliegen ist so alt wie die Menschheit. Immer haben Frauen um Selbstbestimmung und Gleichberechtigung in allen Bereichen des Lebens gekämpft. Auch wenn sie dafür in ihrem – meist männlichen — Umfeld auf Unverständnis, Widerstand und offene Ablehnung stießen. Der Journalist Gerhard Jelinek beleuchtet in seinem neuen Buch „Mutiger Klüger Verrückter“ (Amalthea Verlag) die Schicksale von zwei Dutzend Frauen, die „Geschichte machten“.

Bertha von Suttner © APA/dpa

Jelinek blickt weit zurück. Etwa auf die hebräische Mythologie, in der Eva die zweite (!) Frau des Adam ist, weil dieser zuvor mit einer gewissen Lilith liiert war. Doch Lilith erwies sich als „selbstbewusste Partnerin“ und „pochte auf Gleichberechtigung“.

Die Beziehung endet, indem Lilith freiwillig das Paradies verlässt. Adam beklagt sich bitter bei Gott, dass ihm die Frau davongelaufen sei. Gott erbarmt sich und schickt dem Adam die Eva.

Kluge Kleopatra

Die Sache mit den selbstbewussten Frauen setzt sich fort, etwa mit der ägyptischen Königin Kleopatra, die sich, um ihre Herrschaft abzusichern, mit den mächtigen Römern Julius Cäsar und Marcus Antonius verbündet. Oder mit der keltischen Königin Boudicca, die eine ebenso kluge wie brutale Widerstandskämpferin gegen die römischen Besatzer ist.
Mut und Klugheit ganz anderer Art zeichnen um die Wende zum ersten Jahrtausend die Äbtissin Mathilde von Quedlinburg aus, die weit mehr als eine fromme Ordensfrau ist. Sie wird sogar offizielle Stellvertreterin des deutschen Königs Otto III. und regiert zeitweise das römisch-deutsche Reich. Die Fürsten müssen, ob sie wollen oder nicht, Mathilda als Autorität anerkennen!

Erste Ärztin Europas

Zeitsprung ins 18. Jahrhundert: Eine Arzttochter namens Dorothea Christiane Erxleben in Preußen will partout nicht akzeptieren, dass Frauen keinen Zugang zu Wissenschaft und Bildung haben. Sie wendet sich offen gegen die Männer, die sagen: „Du bist klug und weise, weil du ein Mann bist, aber kannst keinen Verstand haben, weil du eine Frau bist“. Trotz aller Anfeindungen lässt Dorothea nicht locker, bis ihr der König durch einen Gnadenakt das Studium ermöglicht. Und sie wird die erste promovierte Medizinerin Europas, bleibt aber noch lange die Ausnahme.

Vorläufer des Computers

„Mutig und verrückt“ ist Anfang des 19. Jahrhunderts auch die Französin Sophie Blanchard. Sie begeistert sich von Jugend an für das Ballonfahren und sie wird schließlich sogar von Napoleon zur ersten „Ministerin für Ballonfahrten“ ernannt. Das Schicksal meint es schlussendlich nicht gut mit der Ballonministerin: Bei einer — heute würde man sagen — Show über Paris fängt der Ballon Feuer, Sophie Blanchard stürzt in den Tod.

Wem sagt heute noch der Name Ada Lovelace etwas? Studierten Informatikern vielleicht. Denn die Tochter des romantischen Dichters Lord Byron ist Mathematikerin aus Leidenschaft und entwirft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die erste „mechanische Rechenmaschine“, durchaus als „Vorläufermodell“ des Computers einzustufen. Freilich scheitert das Projekt daran, dass der Rechner mit den damaligen technischen Möglichkeiten aus 25.000 Einzelteilen hätte bestehen müssen, die alle von Hand herzustellen gewesen wären.

Wieder ein Zeitsprung zu Bertha von Suttner, geboren 1843 in Prag, vorerst eine „lebenslustige junge Gräfin“. Doch das ändert sich, als sie ein Bewusstsein für die zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Sie wird Sekretärin und Empfangsdame des Dynamit-Erfinders Alfred Nobel, der sich zu dieser Zeit intensiv für eine weltweite Friedenspolitik engagiert. Und genau diesem Thema wird sich Bertha von Suttner ihr ganzes weiteres Leben widmen. Ihr Roman „Die Waffen nieder!“ wird ein Welterfolg. Freilich, das Bemühen um den Frieden wird kurz nach dem Tod Berthas im Jahr 1914 fürchterlich zunichte gemacht: durch den Ersten Weltkrieg.

Abfuhr für Hitler

Noch ein paar Namen aus der Liste der „mutigen, klugen, verrückten“ Frauen: Die Engländerin Emmeline Pankhurst, die Anfang des 20. Jahrhunderts die sogenannten „Suffragetten“ gründet, eine Bewegung, die leider auch mit Gewalt das Wahlrecht der Frauen durchsetzen will.

Oder die polnische Filmschauspielerin Pola Negri, die Adolf Hitler begeistert, die sich aber — und das kann man nicht von allen Stars dieser Zeit sagen — nicht von der NS-Propaganda vereinnahmen lässt, im Gegenteil, nach der Pogromnacht im November 1938 erteilt sie dem Führer eine Abfuhr, schmeißt alle bereits unterschriebenen Filmverträge hin und emigriert in die USA.

Gerhard Jelinek, Mutiger Klüger Verrückter — Frauen, die Geschichte machten, Amalthea Verlag, 288 Seiten, 25 Euro ©Amathea Verlag

Stichwort Pogromnacht: Wenige Wochen später wagt sich die Holländerin Geertruida Wijsmuller-Meijer zu keinem Geringeren als Adolf Eichmann und ringt ihm das Zugeständnis ab, dass Hunderte jüdische Kinder aus Wien nach England in Sicherheit gebracht werden dürfen. Eichmanns Kommentar zu der mutigen Holländerin: „Unglaublich, so rein arisch und doch so verrückt!“

Von Werner Rohrhofer

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