Frischzellenkur für die Augen des Gotteshauses

29 Fenster des Linzer Mariendoms werden bis 2030 in der Glasmalerei Schlierbach aufwendig restauriert

Von oben: Die Gemäldefenster werden gereinigt, mangelhafte Stellen ausgebessert, Verstrebungen wieder verstärkt.Aufwändige Begutachtung durch Expertinnen in Schlierbach

Da wird gereinigt, gelötet, ergänzt, gemalt und patiniert. Mit Fingerspitzengefühl und großem Fachwissen erstrahlen reparaturbedürftige Fenster des Linzer Mariendomes nach und nach wieder in altem Glanz. Zu Besuch in Österreichs größter Glasmalerei in Schlierbach.

Für das Gesicht eines Heiligen wird dunklere Farbe aufgetragen und nach dem Trocknen mit einem Pinsel so abgetupft, dass der gewünschte Farbverlauf entsteht, hellere Stellen sichtbar werden und so das Antlitz Form und Schattierung bekommt.

Im Fachjargon nennt man das Stupfen. Die Schöpfer dieser großartigen Kunst auf Glas waren Künstler aus der Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt in Innsbruck, deren Duktus sich die Restauratorin heute jeweils aneignen muss. „Ich könnte im zweiten Beruf Fälscherin werden“, sagt Kyra Kleinschmidt (39) lachend. „Eine schöne Arbeit, bei der man diesen Werken so nah kommt wie sonst nicht. Da wird sichtbar, wie fein das gemalt ist und wie viel Mühe man sich damit gegeben hat.“

Ein Auftrag wie dieser sei natürlich eine Besonderheit, sagt Kleinschmidt. Sie ist seit 2008 in der Glasmalerei, die zum Stift Schlierbach gehört, beschäftigt und hat Glasgestaltung an einer Fachschule im Bayerischen Wald gelernt, „aber erst in Schlierbach einen Zugang zum Restaurieren gefunden und mein Wissen vertieft.“ Bei den Fenstern übernimmt sie gemeinsam mit weiteren Experten zunächst Begutachtung und Befundung und anschließend die Malerei der Fehlstücke. Nach mehr als 100 Jahren war es an der Zeit, die leuchtenden Augen des größten österreichischen Gotteshauses wieder auf Hochglanz zu bringen. Und das verlangt eben viel Expertise.

Schäden aus dem Krieg

„29 der rund 100 aufwendig und detailreich gestalteten Domfenster werden renoviert. Jedes Jahr sind zirka drei dran“, erklärt Kleinschmidt. Die „angschlagenen“ Gemäldefenster im Bereich des Hochchores und auf der Westseite des Mariendomes weisen zahlreiche Beschädigungen — zum Teil durch Granatsplitter im Zweiten Weltkrieg — auf. Auch Witterungseinflüsse, Abgase, Vogelkot, die Umweltverschmutzung und Rost haben den kostbaren Fenstern zugesetzt. Den Anfang in Sachen Restaurierung machten 2021 die Fenster „Stift Wilhering“ und „Stift St. Florian“ im Querschiff sowie das Fenster „Sendung des Heiligen Geistes“ im Hochchor des Mariendoms. In Schlierbach wird gerade an Fenster 66, das die „Anbetung der Weisen aus dem Morgenland“ zeigt, gearbeitet. In etwa zehn Jahren sollte die 2021 begonnene Restaurierung also abgeschlossen sein, so der Plan. Kostenpunkt: rund 1,5 Mio. Euro.

Ein Gerüst muss im Dom aufgestellt werden, um die rund 80 mal 80 Zentimeter großen Felder samt Maßwerk, die eingeputzt sind, in großer Höhe herauszunehmen. Dann wird eine Schutzverglasung montiert, die auch bleibt, wenn das restaurierte Fenster wieder eingesetzt wird und Schutz vor Kondensat und anderen Umwelteinflüssen bietet.

In den weitläufigen Werkstätten der Glasmalerei in Schlierbach begutachten Kleinschmidt und ihre Kollegin Christina Wais die wertvollen Stücke: Wo fehlen Glasteile, sind Sprünge vorhanden, ist die Fassung aus Blei gerissen oder nicht mehr stabil und muss nachgelötet werden, wo gehört die Farbe aufgefrischt. In die Befundung ist auch Expertin Petra Weiß vom Bundesdenkmalamt eingebunden. Anschließend können sich Mitarbeiter an die Reinigung mit destilliertem Wasser machen. Die Bleielemente, die alles zusammenhalten, sozusagen das Gerüst bilden, werden ebenso von Schmutz befreit wie die Glasteile. Das neue Glas, mit dem Fehlstellen ergänzt werden, stammt aus der Glashütte Lamberts, die dieses als einzige Werkstatt noch nach einer jahrhundertealten Methode mundgeblasen herstellt, so wie im Mittelalter, weshalb es Echtantik-Glas genannt werden darf und laut Kleinschmidt „ideal für die Restaurierung“ ist. Jedes Glas hat eine andere Farbigkeit, wie man an den unzähligen in große Regale eingeschlichteten Glasteilen sehen kann.

Schicht für Schicht

Das Glas wird zugeschnitten und in mehreren Schritten bemalt, Farbpulver dafür mit Wasser angerührt: Auf Konturmalerei folgen ein bis zwei Überzüge und Silbergelbmalerei. Dabei ist es wichtig, zu berücksichtigen, wie sich die Farbe nach dem Brand verändert. Eine Brennprobe dient zur Absicherung. Riesige Fenster in der Werkstätte bieten die Möglichkeit, die Farben bei Tageslicht zu kontrollieren. Weil diese bleihältig sind, wird unter einer Absaugung gearbeitet. Bestünde da nicht die Gefahr von Langzeitschäden? „Wir müssen alle drei Monate zur Blutabnahme. Seit ich hier bin, war bei niemandem der entsprechende Wert zu hoch“, sagt Kleinschmidt.

Puzzlearbeit

Die fehlenden Teile sind oft sehr klein, eine Puzzlearbeit, wenn sie eingefügt und auf der Rückseite mit Leinölkitt geklebt werden. Letzterer wird aus Leinöl und Bergkreide angerührt. „Ein natürliches Material, das, wie die Kirchenfenster zeigen, eine Ewigkeit hält“, erklärt Kleinschmidt. Die alten Windeisen (Querverstrebungen zur Stabilisierung der Fenster, Anm.) werden entrostet, grundiert und gestrichen und mit Bleihaften wieder angebracht, die Felder wieder gefasst und die oft glänzenden neuen Teile patiniert, also „auf alt“ getrimmt. Insgesamt dauert der gesamte Prozess rund drei Monate, je nachdem wie restaurierungsbedürftig die Fenster sind. Jede vorgenommene Arbeit wird fein säuberlich katalogisiert, Erkenntnisse, die aus der Sanierung der Domfenster gewonnen werden, sollen künftig auch andernorts zur Verfügung stehen. Vier Leute sind für die (Ab)Montage notwendig, fünf bis sechs arbeiten dann in der Werkstatt an den Fenstern. Kleinschmidt: „Wir sind ein tolles Team, arbeiten alle wunderbar zusammen und es gibt Rückzugsmöglichkeiten, wenn man an besonders schwierigen Details, sehr fokussiert und konzentriert arbeiten muss.“ Das Ergebnis kann sich auf jeden Fall sehen lassen.

Die Initiative Pro Mariendom ersucht darum, die Restaurierung der Gemäldefenster zu unterstützen
Spendenkonto RLB OÖ/ IBAN: AT23 3400 0000 0016 3881

www.promariendom.at

Die Glaswerkstätte Schlierbach

In der 1884 gegründeten Glasmalerei, die seit den 1950ern in Schlierbach angesiedelt ist, sind rund 20 Mitarbeiter mit Verglasungen für öffentliche und private Gebäude beschäftigt. Neues wird hier geschaffen, Altes wiederhergestellt. Dabei kommen verschiedene Techniken zur Anwendung: klassische Bleiverglasung, Malerei mit Schmelzfarben und die noch junge Technik des Fusing, bei der Gläser im Ofen miteinander verschmelzen. Künstler kommen zur Realisierung ihre Entwürfe nach Schlierbach, hier entstand etwa das glasmalerische Werk der bekannten österreichischen Künstlerin Margret Bilger. Die Werkstatt hatte schon Aufträge in ganz Europa, aus den USA, Japan, Korea und Tansania. Auch Objekte wie bunte Glaskreuze, Grabsteine aus und mit Glas entstehen hier.

Von Melanie Wagenhofer

Das könnte Sie auch interessieren