Für LH Stelzer ist Null-Schulden-Kurs „unterbrochen, aber nicht beendet“

Landeshauptmann rechnet für OÖ mit mehr als 500 Millionen Euro Einnahmenverlust — „Werden sicher ein neues Hilfspaket auflegen“

Landeshauptmann Thomas Stelzer
Landeshauptmann Thomas Stelzer © Land OÖ / Mayrhofer

Es sei die Aufgabe der öffentlichen Hand, „in einer Krisensituation da zu sein,“ sagt Landeshauptmann Thomas Stelzer zu den Corona-Hilfspaketen von Bund und Land.

Bewährt habe sich in der Pandemie-Krise die föderale Struktur, es werde „vor Ort mit Hausverstand geholfen“.

VOLKSBLATT: Ist Ihr Terminkalender eigentlich schon wieder so voll wie vor Ausbruch der Corona-Pandemie?

LH STELZER: Untertags ist er sehr voll, was nach wie vor nicht angesprungen ist, sind die Veranstaltungen am Abend oder an den Wochenenden. Das beginnt langsam, ist aber noch lange nicht im Vollausbau.

Gibt es etwas, das Sie trotz nun gelockerter Maßnahmen vermissen?

Es gibt nach wie vor kein Händeschütteln, und es bleibt das Distanzhalten. Das wird uns aber noch länger begleiten, da müssen wir auch vernünftig bleiben. So lange es kein verlässliches Medikament gibt, ist das die beste Vorsorgemaßnahme.

Sie sprechen die Vernunft an. Ist die auch nach den ersten Tagen der Lockerungen vorhanden?

In der Phase der einschneidenden Einschränkungen wurde sehr viel Verantwortung gezeigt. Daher ist auch das Bewusstsein vorhanden, dass jeder einzelne gefordert ist. Abstand halten begleitet uns, egal bei welchem Anlass.

Die Bundesregierung hat zu Beginn der Corona-Krise die Devise ausgegeben: Koste es was es wolle. Was wird uns die Krise in OÖ kosten?

Wenn die wirtschaftliche Lage —leider — so bleibt, wie sie ist, wird uns im laufenden Budget eine halbe Milliarde Euro an Einnahmen fehlen. Und mit jedem Paket des Bundes zahlen wir Länder und Gemeinden mit — daher werden wir am Ende des Tages wesentlich mehr als diese 500 Millionen Euro Einnahmenverlust haben. Trotzdem müssen wir gleichzeitig helfen, das ist auch die Aufgabe der öffentlichen Hand, in einer Krisensituation da zu sein.

Sie haben Anfang Juni den Rechnungsabschluss 2019 mit einem Überschuss von 25 Millionen Euro präsentiert. Auf wie lange wird das der letzte positive Abschluss sein?

Natürlich möchte ich, dass wir auf lange Sicht gesehen wieder vernünftig haushalten. Der Null-Schulden-Kurs ist unterbrochen, weil wir massiv in die Tasten greifen müssen, er ist aber nicht beendet. Wenn wir wieder in einem halbwegs normalen Fahrwasser sind, wenn sich die Wirtschaft erholt hat und die Arbeitsplätze gesichert sind, sorgen wir dafür, dass wir uns wieder in Richtung null Schulden entwickeln. Aber heuer und nächstes Jahr ist eine ganz außerordentliche Situation, da müssen wir beim Budget Nachträge und Abänderungen machen.

Das Um und Auf der ökonomischen Krisenbewältigung wird wohl sein, wie die Wirtschaft aus den Startlöchern kommt. Wie lautet das Rezept dafür?

Da muss es ganz viele Rezepte geben. Ein ganz wichtiges ist die Stärkung der regionalen Wirtschaft, da können wir gemeinsam mit den Gemeinden viel tun. Es gibt das Gemeinde-Investitionspaket, wir können mit unserem Oberösterreich-Paket Firmen in den Regionen über die Notphase drüberhelfen —aber auch dadurch, dass wir zum regionalen Konsum anregen. Ein anderes wichtiges Thema ist der Export, da sind wir davon abhängig, dass die internationalen wirtschaftlichen Beziehungen wieder in die Gänge kommen. Daher ist die Grenzöffnung für uns touristisch wichtig, viel mehr aber noch für unsere Exportwirtschaft. Wir hoffen auch, dass unsere großen Partner in Europa wirtschaftlich wieder vorankommen.

Der Bund hat auf sein Hilfspaket noch einmal 12 Milliarden Euro draufgewummst. Muss auch OÖ bei seinem 580-Millionen-Hilfspaket nachlegen?

Wir werden sicher ein neues Paket auflegen, weil es ja darum geht, OÖ wieder stark zu machen. Jetzt werden wir einmal schauen, wie dieses massive Bundespaket hilft, und dann werden wir überlegen, in welche Bereiche wir gehen wollen — innovativ, investiv, in Forschung und Entwicklung.

Und wie lautet das gesundheitspolitische Rezept, um künftig gegen Corona gewappnet zu sein?

Auf eine derartige Pandemie war weltweit niemand vorbereitet. Wir lernen, dass wir uns auch in einer modernen Welt bei nichts zu sicher sein dürfen. Nichts ist garantiert, weder gesundheitlich noch wirtschaftlich. Daher ist es wichtig, dass wir uns in der Medizin und Gesundheitsvorsorge gut aufstellen. Wir haben in OÖ den großen Vorteil, dass wir regional breit aufgestellt sind, und wir haben auch den Vorteil, dass wir jetzt die medizinische Forschung und Ausbildung am Standort OÖ haben.

Die Pandemie hat auch den Bildungsbereich massiv getroffen. Bleibt eine Bildungslücke zurück?

Im Bildungswesen haben alle — Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Schüler — sehr engagiert auf diese Herausforderung reagiert. Die Möglichkeiten der digitalen Welt wurden breit genutzt. Es war anders, aber das ist genützt worden, und vielleicht kann auch manches von dem mit in das neue Schul- und Studienjahr genommen werden.

Für viele Eltern wird die Kinderbetreuung im Sommer eine große Herausforderung. Sollte man eine generelle Verkürzung der großen Schulferien andenken?

Wir sollen bei aller Wichtigkeit der Bildung nicht vergessen, dass die Kindheits- und Jugendphase eine sehr spezielle Zeit im Leben ist, in der man auch Freiräume für Entwicklung braucht. Heuer können wir hoffentlich den Familien mit den Sommerkindergärten, der betrieblichen Kinderbetreuung und durch das Mitwirken der Gemeinden ein gutes Angebot machen.

Was ist Ihre wesentliche Erkenntnis aus der Arbeit des Landes-Krisenstabes?

Dass man allen Beteiligten ein großes Kompliment machen muss —den Mitarbeitern im Land und in den Bezirkshauptmannschaften, den Einsatzorganisationen, den beteiligten Kammern. Das Miteinander hat sehr schnell und sehr unkompliziert funktioniert. Solange die Herausforderung nicht bewältigt ist, können wir den Krisenstab auch nicht für beendet erklären.

Sie haben den Vorsitz in der Landeshauptleute-Konferenz unter das Motto „Gemeinsam Zukunft gestalten“ gestellt. Wie viel Zukunft konnten Sie in diesem Halbjahr tatsächlich gestalten?

Wir gestalten auch unter den neuen Bedingungen Zukunft gemeinsam. Wir können als Österreich in Anspruch nehmen, dass wir sehr rasch und viel schneller als viele andere Staaten aus dieser Herausforderung herauskommen und wieder an Stärke gewinnen können. Sehr bewährt hat sich der föderale Aufbau unserer Republik mit den Bundesländern. Es wird vor Ort organisiert und mit Hausverstand geholfen, es gab da ein sehr vernünftiges Miteinander von Bundesregierung und Landeshauptleuten. Richtig ist, dass wir uns am Beginn des Jahres andere Schwerpunkte vorgenommen hatten, aber es spricht für uns, dass wir uns sehr schnell auf die neue Herausforderung eingestellt haben.

Als ein zentrales Thema haben Sie zu Beginn des Vorsitzes die Pflege genannt. Wie sehr hat die Corona-Pandemie die Anforderungen an das Pflegesystem verändert?

Jedenfalls waren und bleiben nach wie vor die Anforderungen an die Pflege massiv. Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Alten- und Pflegeheimen und in der mobilen Pflege leisten, ist äußerst bemerkenswert, dafür sind wir auch sehr dankbar. Aber die Herausforderung der Finanzierung und des Personals wird uns begleiten.

Dass bundespolitisch allmählich so etwas wie politischer Alltag einkehrt, merkt man auch daran, dass die Opposition aus vollen Rohren gegen die Bundesregierung feuert. Sehen Sie eine Belastung auf die türkis-grüne Koalition zukommen?

Wenn eine Regierungskoalition eine außergewöhnliche Situation wie die Corona-Krise gemeinsam so gemeistert hat, dann wird sie nicht sehr viel anderes erschüttern können.

Die Blauen haben sich den Kampf gegen den Corona-Wahnsinn auf die Fahnen geheftet. Sind Sie froh, dass diese FPÖ nicht mehr in der Bundesregierung ist?

Ich bin froh, dass wir in OÖ eine stabile Regierung haben und hier gut handeln können. Wir arbeiten aber auch mit der Bundesregierung in dieser Konstellation sehr gut zusammen.

Die OÖVP-FPÖ-Zusammenarbeit in OÖ ist nicht belastet?

Das ist eine sehr vernünftige und tragfähige Zusammenarbeit, wie wir gerade in diesen Krisenmonaten gesehen haben. Wir konnten viel miteinander aufstellen – Stichwort OÖ-Paket mit 580 Millionen Euro.

Zumindest die Grünen sind offiziell bereits in den OÖ-Wahlkampf gestartet. Erleben wir nun 15 Monate Dauerwahlkampf?

Die OÖVP als führende Partei im Land arbeitet, wir sehen gerade in den nächsten Monaten genug Aufgaben vor uns, insbesondere OÖ wieder stark zu machen. Wenn andere für sich das anders definieren, werden sich die Menschen ihren eigenen Reim darauf machen.

Wie und wo tanken Sie heuer urlaubsmäßig Ihre Akkus auf, ehe es in das letzte Arbeitsjahr vor der Landtagswahl geht?

Wir werden uns sicher einen österreichischen Urlaubsort aussuchen.

Mit Landeshauptmann THOMAS STELZER sprach Markus Ebert

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