„Für Opposition ist U-Ausschuss ein politisches Kampfmittel“

Für ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger ist Leitlinie klar: Volle Aufklärung, volle Transparenz und wenn möglich im Konsens

VOLKSBLATT-Redakteur Herbert Schicho beim Lokalaugenschein im Kamineum in der Hofburg. In den kommenden Monaten wird dort der Untersuchungsausschuss tagen, zum Auftakt wird am Dienstag Bundeskanzler Karl Nehammer den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Bis Mitte Juli sind insgesamt 25 Befragungstage geplant.
VOLKSBLATT-Redakteur Herbert Schicho beim Lokalaugenschein im Kamineum in der Hofburg. In den kommenden Monaten wird dort der Untersuchungsausschuss tagen, zum Auftakt wird am Dienstag Bundeskanzler Karl Nehammer den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Bis Mitte Juli sind insgesamt 25 Befragungstage geplant. © VB

Kommenden Dienstag beginnt mit der Befragung von ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer der 27. Untersuchungsausschuss der II. Republik. Das Recht auf die erste Frage hat Andreas Hanger (ÖVP) als Fraktionsobmann der größten Fraktion.

VOLKSBLATT: Wie bereitet man sich auf einen U-Ausschuss vor?

ANDREAS HANGER: Es ist mittlerweile mein zweiter U-Ausschuss, weil ich schon im Ibiza-Ausschuss den Vorsitz der ÖVP-Fraktion übernehmen durfte. Auf der einen Seite definiert man die grundsätzliche Linie. Unsere Leitlinie lautet: Volle Aufklärung, volle Transparenz. Natürlich muss das für alle Parteien gelten, die im Untersuchungszeitraum Regierungsverantwortung getragen haben. Unser Zugang ist es, sehr konsensual zu agieren: Wir werden schauen, dass es sehr rasch Arbeitspläne gibt. Wir haben den Untersuchungsgegenstand so zur Kenntnis genommen, wie er uns vorgelegt wurde. Und auf der anderen Seite beginnen wir nun, uns intensiv mit den Akten zu beschäftigen.

Wie viele Aktenseiten haben Sie für den nun startenden Ausschuss bereits durchgeackert?

Wir sind ein großes Team. Beim Ibiza-U-Ausschuss wurden 2,7 Mio. Aktenseiten geliefert. Jetzt rechnen wir mit einer wesentlich höheren Anzahl von Akten, die geliefert werden, weil der Untersuchungsgegenstand unglaublich breit definiert wurde. Grundsätzlich bereiten wir uns dann auf die Themen und Auskunftspersonen vor, die auf der Tagesordnung stehen. Konkret haben wir etwa die Steuersache Siegfried Wolf und diese Studien, die das Finanzministerium beauftragt hat, im Fokus.

Sind Ihrer Meinung nach zu viele Akten geliefert worden?

Dieser Vorwurf der Opposition ist nahezu grotesk und absurd. Einmal waren es zu wenig, jetzt sind es zu viel: Die Aktenlieferungen definieren sich am Untersuchungsgegenstand und die Oppositionsparteien haben diesen festgelegt: Alle Beschaffungen des Bundes, alle Personalentscheidungen des Bundes, … da darf man sich nicht wundern, dass viele Akten geliefert werden.

Freuen Sie sich auf die Befragungen oder haben sie eher schlaflose Nächte?

Ich schlafe Gottseidank sehr gut. Es wird eine sehr intensive Zeit, aber auch eine sehr spannende Zeit. Wir bereiten uns derzeit sehr gewissenhaft vor, weil wir natürlich auch mit vielen Vorwürfen konfrontiert sind. Dazu haben wir eine sehr klare Linie festgelegt: Wir schauen uns die Akten durch, warten den U-Ausschuss ab und erst dann bewerten wir. Es ist ein Ärgernis, dass oft schon vorab bewertet wird, bevor der U-Ausschuss angefangen hat. Und ich sage auch klar: Falls – es gilt der Konjunktiv – es zu Fehlleistungen gekommen ist, sind die Konsequenzen zu ziehen. Aber was wir mit Sicherheit nicht zulassen werden, ist, dass unsere Wertegemeinschaft pauschal verurteilt wird. Wir haben 10.000e Funktionäre auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene, die höchst korrekt arbeiten.

Schon beim Ibiza-Ausschuss gab es heftige Geschäftsordnungsdebatten, rechnen Sie diesmal wieder damit?

Da der Untersuchungsgegenstand sehr unklar definiert ist, wird es wohl dazu kommen. Aber wir wollen einen konsensualen Stil prägen und sachlich die Argumente vortragen.

Wie kann man das vermeiden und wie dringend braucht es Anpassungen der Geschäftsordnung?

Ich glaube, es bräuchte dringend eine Reform der Geschäftsordnung. Das beginnt schon damit, dass wir dem Thema Übertragung sehr positiv gegenüberstehen. Wir sollten auch beim Untersuchungsgegenstand klarere Abgrenzungen machen, sonst hat man einen „Kraut und Rüben Untersuchungsausschuss“. Ich hätte gerne eine stärkere Position des Verfahrensrichters, derzeit hat er nur eine beratende Funktion. Auch mit der Rolle der Auskunftspersonen bin ich nicht zufrieden, weil die unglaublich unter Druck stehen. Manchmal hat man den Eindruck, die einzige Intention eines Befragers ist, eine Auskunftsperson in einen Widerspruch zu verwickeln, um ihr dann eine Falschaussage unterstellen zu können.

Auch diesmal wird der U-Ausschuss parallel mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen geführt. Ist das für Sie ein Problem?

Das ist strukturell ein großes Problem. Wir sind kein Gericht, sondern klären die politische Verantwortung. Wenn du als Beschuldigter geführt wirst, dann hat man ein Entschlagungsrecht. Und wir hatten im letzten U-Ausschuss die absurde Situation, dass von den Oppositionsparteien angezeigt wird, die Personen wurden dann als Beschuldigte geführt. Drei Monate später wurden sie von der Opposition in den Ausschuss geladen – wissend, dass sie sich entschlagen werden.

Sie werden diesmal vermutlich in die Rolle des Verteidigers gedrängt werden. Sehen Sie Ihre Aufgabe auch so?

Grundsätzlich habe ich eine hohe Gelassenheit, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass in einem unglaublich hohen Ausmaß, 99,9 Prozent periodisch, korrekt gearbeitet wird. Und es ist auch eine gute Gelegenheit, diese Arbeit vor den Vorhang zu holen. Wenn es vereinzelt zu Fehlleistungen gekommen ist, dann sind diese zu benennen und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Außerdem wird es für uns auch offensiv Themen geben: Wir wollen etwa einen Geheimdienst-Skandal durchleuchten, eine Gruppe aus dem österreichischen Geheimdienst hat offensichtlich rechtswidrig Oppositionspolitiker – namentlich den Altgrünen Peter Pilz, Neos-Abgeordneten Helmut Brandstätter und insbesondere Ex-FPÖ-Mandatar Hans-Jörg Jenewein – mit Informationen aus dem Geheimdienst versorgt. Bei der FPÖ liegt die Vermutung nahe, dass da auch Geld geflossen ist.

Glauben Sie nicht, dass die Opposition dabei großes Interesse an Aufklärung hat?

Die Opposition wird sicher sagen, dass ist ein Ablenkungsmanöver. Wir sind uns aber 100-prozentig sicher, dass wir im Untersuchungsgegenstand sind. Es geht ja auch darum, dass man in der Ära Kickl im Innenministerium Überlegungen angestrengt hat, im ebenfalls FPÖ-geführten Außenministerium einen eigenen Geheimdienst zu machen. Wir haben Chatverläufe samt Organigrammen, die das ganz klar belegen. Der damalige FPÖ-Generalsekretär betrieb Postenschacher und versprach abtrünnigen Geheimdienstmitarbeitern Jobs. Das aufzuarbeiten ist eine klassische Aufgabe des U-Ausschusses.

Von welchen Auskunftspersonen erhoffen Sie am meisten zu erfahren?

Wir stehen am Beginn des U-Ausschusses und wir haben auch noch nicht festgelegt, welche Auskunftspersonen wir laden wollen. Aber wir werden im April sicher einen Schwerpunkt auf dieses Geheimdienstthema legen.

Schon im Vorfeld wurde auch die Rolle des Präsidenten kritisch hinterfragt. Wie wichtig ist der Vorsitz?

Die Geschäftsordnung sieht vor, dass der Präsident des Nationalrates den Vorsitz innehat. Und du hast als Vorsitzführender auch nur ganz geringe Einflussmöglichkeiten. Du sollst ja den Ausschuss nur moderieren. In rechtlichen Fragen konsultierst du immer den Verfahrensrichter und es war immer so, dass man sich der Rechtsmeinung des Verfahrensrichters anschließt. In der politischen Realität ist der Einfluss des Vorsitzenden sehr gering.

Der U-Ausschuss wird wohl bis zum Sommer 2023 laufen. Rechnen Sie damit, dass er auch zu einer Wahlkampf-Bühne für die NÖ-Wahl wird?

Ja, ich rechne damit, weil die Oppositionspolitiker nichts unversucht lassen werden. Es ist leider so, dass aus Sicht der Opposition ein U-Ausschuss ein politisches Kampfmittel ist. Man sieht das auch daran, dass unser Bundeskanzler Karl Nehammer im letzten U-Ausschuss eine Minirolle hatte, nun ist er als erste Auskunftsperson geladen.

Was kann im besten Falle bei diesem U-Ausschuss herauskommen?

Ich bin davon überzeugt, dass herauskommen wird, dass die Regierung und insbesondere die ÖVP in einem unglaublich hohen Ausmaß höchst korrekt gearbeitet hat.

Und der „worst case“?

Einen „worst case“ sehe ich nicht. Wenn es zu Fehlleistungen gekommen ist, sind natürlich die Konsequenzen zu ziehen.

Mit ÖVP-NR-Abg. ANDREAS HANGER sprach Herbert Schicho

Das könnte Sie auch interessieren