Gaben von unschätzbarem Wert

„Das besondere Konzert“ im Brucknerhaus mit Philippe Herreweghe

Star am Pult, der seit einem halben Jahrhundert die Alte Musik beforscht und pflegt: Philippe Herreweghe
Star am Pult, der seit einem halben Jahrhundert die Alte Musik beforscht und pflegt: Philippe Herreweghe © LIVA/Oliver Erenyi

Corona-Lockerungen, illustre Konzertgäste und das passende Programm, dies alles lockte nicht genug Besucher am Mittwoch ins Passionskonzert ins Brucknerhaus. Darüber mochte auch Maestro Philippe Herreweghe beim ersten Blick in den Saal erstaunt gewesen sein.

Den belgischen Großmeister der Originalklangbewegung muss man hier doch nicht vorstellen. Seit einem halben Jahrhundert ist die Alte Musik und deren Erforschung wie Pflege sein Lebenswerk, was auf allen Bühnen der Welt geschätzt und bewundert wird. Dass er jetzt endlich seine Mitstreiter vokal und instrumental am Pult wieder anführen konnte, ließ ihn rasch in seine versöhnende Hochform finden.

Das von ihm 1970 gegründete Collegium Vocale aus seiner Heimatstadt Gent und das Orchestre des Champs-Élysées, ebenfalls ein von ihm 1991 aufgestellter Klangkörper, mit denen Herreweghe sich den Wunsch eines neuen Hörerlebnisses erfüllte.

Ein Hohepriester

Als „Hohepriester der Alten Musik“ wird er oft bezeichnet, wozu auch seine charismatische Ausstrahlung beim Musizieren beiträgt. Dirigieren bedeutet für ihn einen heiligen Akt. Es braucht nicht ausladende Zeichen oder überschäumende Effekte, die Werke im Klangbild ihrer Entstehung aufleben zu lassen.

Auf dem„Via dolorosa“ genannten Programmweg waren einzigartige Stationen zu genießen. Denn der zur Passionszeit passende Inhalt erfüllte, zumindest was Beethoven anbelangt, einen Raritätsanspruch, wofür man dankbar sein musste. Sein Oratorium für drei Solostimmen, Chor und Orchester op. 85 „Christus am Ölberg“, 1803 nahe dem „Heiligenstädter Testament“ nach mehrmals korrigierten Textpassagen komponiert, ist abweichend davon, wie etwa Bach das Oratorium behandelte. Mehr eine opernhafte Chorfantasie, als dass es den biblischen Stoff aus Christi Leidensgeschichte inhaltsgetreu erzählen würde.

Dass Beethoven damals noch eine Oper hätte schreiben sollen, ist durchaus glaubhaft. Der belgische Chor und die Solisten Eleanor Lyons (Seraph) und Thomas E. Bauer (Petrus), erstmals im Brucknerhaus, sowie herausragend Sebastian Kohlhepp als Christus befanden sich stimmlich jedenfalls perfekt auf gewohntem Terrain.

Der Duktus der Worte, die Phrasierung und Flexibilität der Poesie ergaben ein präzises Zusammenspiel von Klang und Bedeutung, wie es ihnen Herreweghe vorbildlich vermittelte.

Vor Beethoven ein sinfonisches Werk seines Lehrmeisters Haydn, die Sinfonie Nr. 49 „La passione“, 1768 komponiert, aber erst 18 Jahre später veröffentlicht und da im Zusammenhang mit einem familiären Trauerfall erklungen. Genauso wie bei allen seinen Sinfonien stammt der Titel nicht von Haydn und steht auch kaum für den Passionssonntag.

Sicher wiegt hier mehr das formale Experiment Haydns, alle Sätze aus einem einzigen Gedanken abzuwandeln und die düstere Grundtonart f-Moll nur im Menuett durch ein F-Dur aufzuhellen. Mit Leidenschaft musiziert, entsprach die Ausgestaltung doch der Bedeutung des Wortes Passion im weiteren Sinne. Der Jubel für „Das besondere Konzert VII“ war laut und erwartungsgemäß.

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