„Gehört dazu, dass es auch einmal knirscht“

ÖVP-Klubobmann Wöginger hat „immer daran geglaubt, dass diese Koalition zustande kommt“

Als Mitglied der ÖVP-Steuerungsgruppe war Klubobmann August Wöginger (rechts, mit Sebastian Kurz und Elisabeth Köstinger) zuerst bei den Sondierungen und dann bei den Koalitionsverhandlungen von Anfang an sozusagen an vorderster Front dabei.
Als Mitglied der ÖVP-Steuerungsgruppe war Klubobmann August Wöginger (rechts, mit Sebastian Kurz und Elisabeth Köstinger) zuerst bei den Sondierungen und dann bei den Koalitionsverhandlungen von Anfang an sozusagen an vorderster Front dabei. © APA/Schlager

VOLKSBLATT: Sind Sie froh, dass nach den langen Verhandlungen alles unter Dach und Fach ist?

KO WÖGINGER: Natürlich, hier haben zwei Parteien sehr intensiv verhandelt, die in manchen Bereichen sehr unterschiedliche Positionen haben. Aber es liegt jetzt ein wirklich gutes Regierungsprogramm mit dem Besten von beiden Welten vor.

Was ist das aus Sicht der beiden Parteien?

Uns war wichtig, dass die Steuerentlastung fortgesetzt wird, dass die harte und konsequente Linie bei der Zuwanderung und in der Migrationspolitik beibehalten wird und dass wir keine neuen Schulden machen. Den Grünen waren Klimaschutz, Ökologisierung und mehr Transparenz wichtig. Das alles ist im Programm sehr gut abgebildet.

Laut Grünen-Chef Werner Kogler hat es bei den Verhandlungen manchmal geknirscht. Gab es Momente, in denen Sie nicht an eine türkis-grüne Koalition geglaubt haben?

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Wenn zwei verschiedene Parteien miteinander ein Programm erstellen, dann gibt es auch Punkte, wo es einmal knirscht, das gehört dazu. Als Optimist habe ich immer daran geglaubt, dass diese Koalition auch zustande kommen wird.

Das Koalitionsabkommen hat mehr als 300 Seiten. Hat es auch einen Sukkus, eine zentrale Botschaft?

Das Beste aus beiden Welten. Das ist etwas anderes als es etwa früher mit der SPÖ war, da wurde immer der kleinste gemeinsame Kompromiss gesucht. Das war dann so verwässert, dass keine der Parteien mehr sagen konnte, das ist das, wofür wir gewählt wurden.

In der Präambel ist mehrfach von Verantwortung die Rede. Wer hat diesen Terminus eingebracht?

Warum trägt das Programm den Titel „Aus Verantwortung für Österreich“? Volkspartei und die Grünen sind die Wahlgewinner, sie haben bei der Nationalratswahl stark zugelegt und gemeinsam eine Mehrheit erreichen können. Jetzt nehmen beide Parteien trotz unterschiedlicher Positionen die Verantwortung wahr, das Land zu regieren.

Sie sind in der ÖVP der Sozialexperte. Was konnten Sie im Abkommen unterbringen?

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Pflege, es ist auch Landeshauptmann Thomas Stelzer ein zentrales Anliegen, dass in diesem Bereich etwas weitergeht. Wir haben gute Reformansätze niederschreiben können, wie die Bündelung der Finanzströme und die Pflegeversicherung als eigene Säule in der Sozialversicherung. Die pflegenden Angehörigen werden bestmöglich unterstützt, etwa mit dem Pflege-daheim-Bonus, und wir starten eine Personaloffensive für die Pflegeberufe.

„Beste Maßnahme zur Unterstützung der Familien“

Der Familienbonus wird angehoben — auch Ihre Idee?

Der Familienbonus ist und war eines der Projekte, die mir besonders am Herzen liegen. Es ist toll, dass der Familienbonus noch einmal ausgeweitet wird. Mittlerweile ist ja unbestritten, dass das die beste Maßnahme zur Unterstützung der Familien ist. Die Anhebung von 1500 auf 1750 Euro und im Bereich der Geringverdiener von 250 auf 300 Euro kann sich wirklich sehen lassen.

Ganz grundsätzlich gefragt: Sind die Grünen schon Freunde oder noch Partner?

Wir hatten — und haben es auch jetzt noch — in den Verhandlungen ein sehr gutes Klima, da sind wir uns auf Augenhöhe begegnet. Ich habe etwa in meinem Bereich mit der Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein sehr gut zusammengefunden, das wird man in der Regierungszusammenarbeit fortsetzen.

Bei den Grünen gibt es sowohl in der Regierung als auch im Parlament sehr viel neues Personal. Erschwert das die Zusammenarbeit?

Mit der künftigen Klubobfrau Sigi Maurer funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut, Werner Kogler kenne ich schon viele Jahre.

Die Koalition hat im Nationalrat nur fünf Mandate Überhang. Kann das heikel werden?

Wie ich 2002 ins Parlament gekommen bin, hat die Koalition auch nur fünf Mandate Überhang gehabt. Natürlich sind die Mandatare angehalten, ständig anwesend zu sein, damit keine Abstimmung verloren geht. Aber 97 Mandatare sind eine tragfähige Mehrheit, das wird gut funktionieren.

„Es gibt unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse“

Medial werden die Grünen vielfach als Verlierer der Koalitionsverhandlungen punziert. Eine gute Basis für einen Regierungsstart?

Es gibt unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse: Wir wurden von mehr als 37 Prozent gewählt, die Grünen von 14 Prozent. Das bildet sich im Regierungsprogramm und bei der Anzahl der Regierungsmitglieder natürlich ab.

Die Opposition ist sichtlich bemüht, von Anfang an den Koalitionsfrieden zu stören. Was lässt das für die Parlamentsarbeit erwarten?

Erstens: Der Standort bestimmt den Standpunkt, aber man sollte die Koalition jetzt einmal zu arbeiten beginnen lassen. Zweitens sollte man immer die ganze Wahrheit sagen, und nicht einzelne Punkte bewusst weglassen. Aus meiner Sicht tut sich die Opposition schwer, an diesem guten Programm wirklich etwas zu kritisieren.

Trotz des unrühmlichen Scheiterns von Türkis-Blau wurde betont, dass diese Koalition gut gearbeitet habe. Was soll da unter Türkis-Grün besser werden?

Wie schon gesagt: Es geht um das gemeinsame Wahrnehmen der Verantwortung.

Heißt das im Umkehrschluss: Weder mit der SPÖ noch mit der FPÖ hätte man diese Regierungsverantwortung für Österreich wahrnehmen können?

Man braucht nur Vertreter aus beiden Parteien zu zitieren, wonach sowohl SPÖ als auch FPÖ derzeit mit all dem, was sich dort intern abspielt, nicht regierungsfähig seien. Das empfindet, etwa bei mir daheim im Innviertel, auch die Bevölkerung so. Die Menschen sagen mir, es gibt gar keine andere Alternative als mit den Grünen diese Regierung zu bilden.

„Das ist das, was ich am liebsten mache“

Welche personellen Änderungen bringt die Koalition für den ÖVP-Klub — im Nationalrat wie auch im EU-Parlament?

Im EU-Parlament rückt der Burgenländer Christian Sagartz für Karoline Edtstadler nach. Im Parlamentsklub gibt es sechs Nachrücker: Für die steirische Landesrätin Juliane Bogner-Strauß kommt Josef Smolle, weiters rücken Irene Neumann-Hartberger, Rudolf Taschner, Romana Deckenbacher, Alexandra Tanda und Peter Weidinger nach.

Seit Freitagnachmittag sind Sie auch formell wieder Klubobmann der ÖVP im Parlament. Sind sie damit zurück in Ihrem Traumjob?

Ja! Das ist das, was ich am liebsten mache.

Was ist eigentlich Ihr persönlicher Beitrag zum Klimaschutz?

Energie sparen.

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