Gehört man als Engel zum Geflügel?

„Sex Bomb Forever“: Kernölamazonen mit Neuem im Brucknerhaus

Pinkeln im Stehen, schmettern Plapper-Arien, versklaven ihren Pianisten: die Kernölamazonen
Pinkeln im Stehen, schmettern Plapper-Arien, versklaven ihren Pianisten: die Kernölamazonen © Julia Wesely

„So ein Springinkerl! Ein Temperament für Fünf!“ Die Fans kennen das Alleinstellungsmerkmal von Caroline Athanasiadi, ihr unfassbar schnelles Sprechtempo, ihr quirliges Wesen. „Ich bin ein Dancing Star“, outet sie gleich in der ersten Minute, sicher niemandem neu im bummvollen Mittleren Saal des Brucknerhauses, wo die Kernölamazonen Gudrun Nikodem-Eichenhardt und Athanasiadis am Mittwoch ihr neues Programm „Sex Bomb forever“ vorstellten.

Als symbolisches Opfer eines Amazonenfeldzugs gegen das Sex-Bomben-Klischee muss Musiker Matthias Ellinger herhalten. Im engen goldenen Höschen sitzt er am Klavier, sie nennen ihn Sklave. Hin und wieder kriegt er eine Watschn, die er ganz devot jeweils perfekt intoniert.

Stromausfall. Man findet sich im Himmel. „Sind wir jetzt Geflügel?“ Jenseitiger Versuch zum Thema: „Wenn ich noch vögeln könnt und keine Flügel hätt“ nach dem vertrauten Volkslied. Der Ewigkeit ausgeliefert beschwören sie so die Vergangenheit.

Die Kernölamazonen haben ihr Schauspiel- und Gesangshandwerk an hohen Schulen gelernt und acht Programme lang erprobt an einer ständig wachsenden Fangemeinde. Aus dem Effeff beherrschen sie das Comedy-Basisrezept: Groß-klein, schnell-langsam, alt-jung, dick-dünn.

In solchen Kontrastformationen schlittern sie in Untiefen „einen Schaas kann man nicht posten“ oder fliegen in musikalische Höhen mit Covers von Eros Ramazotti oder Bob Marley, der da neben Kommerzflittchen im Künstlerhimmel mit Kollegen seines Kalibers kokst. Die Amazonen spötteln, spielen mit Wörtern und hübschen Reimen, ergehen sich in schulmäßigen Gustostückerln, gelegentlich auch altbacken, brav, stets perfekt. Auf alle Fälle vielseitig.

Selbsterfahrung jetzt!

Von freihändig im Stehen Verrichtetem am Männerklo samt neun Strophen steirischer Gstanzln wechseln sie zur Frage nach Ursache und Sinn des Todes, um gleich drauf im Kerngeschäft Musical zu landen. Ihre Musical-Performance heizt richtig an, kühlend drauf die Parodie auf Selbsterfahrungsseminare, brav macht das Publikum mit. Mit Caros atemberaubender Plapper-Arie schnellt die Stimmung wieder auf ein Höchstmaß. Der kabarettistische Zwischenruf „Anrufen bei Dancing Stars“ ist ernst gemeint und für „Just the two of us“, auch Jazzgesang beherrschen sie.

Nach gut zwei Stunden fehlt immer noch der titelgebende Tom Jones-Hadern. Bewusst fad angeleiert, fetzt er letztendlich zum Highlight der Show. Und noch ein Schmäh, noch eine Nummer, jössas, Corona mit Frau Astrid Seneca braucht es ja auch noch. Der unsterbliche Piaf-Mylord als rotes Pferd aufgezäumt zum Mitklatschen, -singen, -toben beschließt endlich die Show. Nein, fehlt noch ein Spendenaufruf, hunderttausende Euro sammelten sie so schon für die Kinderkrebshilfe, und noch einmal bitte anrufen bei Dancing Stars.

Ein langer Abend, die Fans jubeln enthusiasmiert. Im Dezember kommen die Kernölamazonen mit einem Weihnachtsprogramm wieder ins Brucknerhaus.

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