Geringfügige Partikel einer Politsatire

Und wo blieb „Ibiza“?: Nur Applaus für „Schwarzwasser“ von Elfriede Jelinek im Akademietheater

V. l.: Caroline Baas und Caroline Peters
V. l.: Caroline Baas und Caroline Peters © APA/Burgtheater/M. Horn

Wenn man ganz bewusst mit einem Reizwort lockt. Wenn folglich ein ungeheurer Sturm auf die Premiere einsetzt, inklusive des deutschen Feuilletons. Wenn das Burgtheater verspricht, „Schwarzwasser“ von Elfriede Jelinek sei „ihr Stück zu Ibiza“ — ja, dann wartete alles nicht nur auf den Skandal (der ausblieb). Sondern zuerst darauf, dass die Autorin — sprachmächtig, wie sie ist — ihren Landsleuten tüchtig den Kopf waschen würde. Nicht mit direkten Beschimpfungen, wie sie Thomas Bernhard immer so leicht aus der Feder flossen, aber doch mit einem solchen Sturm von Gedanken und Worten, dass man sich ducken müsste …

Nichts davon geschah. Nun scheint schon das, was die Jelinek als „Stück“ vorlegte — die übliche ungegliederte Masse von Text, wie bei ihr immer — eher schwächerer Natur zu sein. Aber man hatte kaum Gelegenheit, das wahrzunehmen. Denn Regisseur Robert Borgmann, der um seine Aufgabe, dieses Textkonvolut zu einem Theaterstück zu machen (für das er dann nahezu dreieinviertel Stunden brauchte …), nicht zu beneiden war, schien sich um das von der Jelinek Geschriebene nicht primär zu kümmern.

Es tobte eine optische Schlacht

Vielmehr ließ er eine optische Schlacht toben (in eigenem Bühnenbild, das schier endlos auch zerlegt wird, um eine Trümmerlandschaft zu ergeben), und immer wieder hatte man den Eindruck, als wollte er den Text absichtlich unverständlich machen. Die Musik im Hintergrund war oft zu laut, seine brillanten Darsteller genossen es, von Zeit zu Zeit bis zur Unhörbarkeit zu flüstern, der eingesetzte Chor war so unpräzise, dass man ihn nicht verstand.

Natürlich kam manches heraus. Sie wurden schon ganz klar zitiert und möglichst demoliert, der Strache, der Kickl und auch der so gern beschimpfte Bundeskanzler („die Sanftmut dieses jungen Gottes ist gespielt“). Wenn sie auf konkrete Personen los ging, sprüht die Jelinek schon Gift und Galle. Aber das waren letztlich geringfügige Partikel einer Polit-Satire, während sich der Rest des Abends mit vielen hilflosen Willkürakten (von rosa Affen bis spanische Infantinnen — Bezüge waren kaum herzustellen) lange und langsam dahin zog.

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Man hatte für die zentralen Rollen zwei der besten Schauspieler des Hauses abgestellt, Caroline Peters und Martin Wuttke, von denen man weiß, dass sie zu jeglichen Exzessen willens und fähig sind. Aber es schien die größte Provokation des Abends gewesen zu sein, dass Wuttke sich nach der Pause durch seinen Text flüsterte, dass man ihm am liebsten zugebrüllt hätte: Sprich ordentlich!

Am Ende hatte es so gut wie kein „Ibiza“ gegeben, sowohl Jelinek wie der Regisseur waren Schlüssiges schuldig geblieben, der unwidersprochene Beifall wirkte eher wie gut inszeniert als berechtigt.

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