„Gutes Brot braucht 72 Stunden“

Filmemacher Harald Friedl geht in seiner Doku „Brot“ Mehl, Wasser und Salz auf den Grund

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Der aus Steyr stammende Filmemacher Harald Friedl hat sich in seiner neuen Doku einem Grundnahrungsmittel zugewandt.

In „Brot“ kommen sowohl traditionelle Handwerker zu Wort, als auch Hersteller von hypermodernen Backmischungen, die weltweit einheitlichen Geschmack versprechen.

Der Film „Brot“ ist eine kleine Weltreise zu den unterschiedlichsten Backwaren — haben Sie alle davon probiert?

FRIEDL: Ich habe natürlich alle probiert und noch mehr. Das unvergleichlichste Brot, das ich gekostet habe, war das von Christophe Vasseur in Paris, das hat die knusprigste Kruste, die ich kenne. Und das Brot der Familie Öfferl aus Niederösterreich.

Wie erkennt man als Konsument gutes Brot?

In erster Linie mit den Sinnen. Der Preis gibt auch einen gewissen Hinweis, denn ein super-gutes Brot muss auch seinen Preis haben. Man macht sich falsche Vorstellungen darüber, was Handwerksbrot ist. Man denkt Handwerksbrot, oder Handsemmerl, die sind nur einmal schnell mit der Hand gemacht und was kann die Hand schon viel anders machen, als die Maschine. Das stimmt schon, aber das wirkliche Handwerksbrot braucht totale Aufmerksamkeit, totales Engagement. Ein gutes Handwerksbrot hat eine Entstehungszeit von 72 Stunden, ein gewöhnliches industrielles Brot braucht zwei Stunden. Beim Roggenbrot geht man weniger Risiko ein. Das ist so uninteressant für den Weltmarkt, dass es, meines Wissens, gar keine speziellen Produkte für Roggenbrot gibt, um groß zu manipulieren.

Wie sind Sie zu der Thematik „Brot“gekommen?

Ich habe einmal mit einem Bäcker geredet, und erfahren, dass es gar nicht so einfach ist, einen Nachfolger zu finden und wie schwierig es generell ist, in der Branche. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass Brot viel mehr ist, als man glaubt. Im Restaurant kriegt man es oft gratis auf den Tisch gestellt, und für das Wasser muss man zahlen. Ich wollte wissen, was ist da dran.

Wie haben Sie Ihre Protagonisten ausgewählt?

Es war eine Recherche von über zwei Jahren. Bei der Industrie war es sehr schwierig, jemanden zu finden, der überhaupt daran denkt, Dreharbeiten zuzulassen. Ich habe aber allen garantiert, dass sie der Film nicht durch den Kakao ziehen werde, dass der Film fair bleibe und eine jede Welt des Brotes bestehen werde. Der Film verteufelt das Industriebrot nicht, sondern zeigt, welche unterschiedlichen Bedingungen bestehen.

Es tun sich Welten auf zwischen den Produkten — die 10-Cent-Semmel auf der einen, das 10-Euro-Brot auf der anderen Seite. Die einen können sich das eine gerade mal leisten, die anderen stehen für das andere in langen Schlangen an. Obwohl es „nur“ um Brot geht, zeigt das ja eine massive gesellschaftliche Diskrepanz auf.

Das hat mich auch massiv daran interessiert. Es wäre mir zu wenig gewesen, nur einen netten, freundlichen Film über Brot zu machen. Es erzählen sich die ökologischen und sozialen Fragen beim Thema Brot mit. Es ist ja nicht der Skandal, dass gutes Brot teuer ist, weil gute Qualität braucht ja auch einen Preis, damit die Leute, die es herstellen, auch davon leben können. Der Skandal ist, dass es so viele Menschen gibt, die so wenig verdienen.

In den 80ern ist man in der österreichischen Bäckerei, die Sie zeigen, auf Backmischungen umgestiegen — und jetzt wieder zurückgegangen zum Handwerk. Aber ist diese Entwicklung im großen Stil noch umkehrbar?

Ich glaube, es geht schrittweise voran. In der Bevölkerung wird das Bewusstsein für Qualität größer, sonst gäbe es nicht die Erfolge für guten Wein, guten Käse, gutes Brot. Die Vielfalt an guten Bäckern produziert auch eine größere Nachfrage. Es gibt Länder, wie Frankreich oder Polen, wo viel mehr für gute Lebensmittel ausgegeben wird, in Deutschland wiederum viel weniger als in Österreich.

Die Industrie scheint übermächtig, alleine von der Größe her. Hat der Konsument wirklich die Wahl und auch die Verantwortung, wie die Industrie nach dem Motto „Wir machen, was der Konsument wünscht“, andeutet?

Ich bin mir sicher, dass man die Wahl hätte. Aber es ist halt so einfach, zu sagen, du kriegst das halb geschenkt, schlag zu. Es gibt immer wieder Sonderangebote, da kostet ein ganzes Toastbrot weniger als einen Euro. Und dann denken viele Leute, sie ersparen sich etwas. Man muss stetig dagegenarbeiten. Den Beitrag, den man leisten kann, ist, sich klarzumachen: Alles hat einen gerechtfertigten Preis, wenn der nicht bezahlt wird, dann zahlt irgendwer, oder irgendwas drauf. Entweder die Natur durch Ausbeutung, oder die Menschen, die miserabel bezahlt werden. Die Böden werden durch einen hohen Pestizid- und Düngemitteleinsatz kaputt, die Bodenfruchtbarkeit geht zurück. Und letztlich zahlen die Konsumenten den Preis, weil es ihnen nicht gut geht, wenn sie das essen. Nahrungsmittelunverträglichkeiten kommen ja nicht von hochqualitätsvollem Brot, sondern nur davon, dass dem Brot in der Industrie nicht die Zeit gegeben wird, das es bräuchte, um ordentlich zu fermentieren.

Hat es Sie erschrocken, was Sie bei der industriellen Herstellung von Brot gesehen haben?

Nein, ich muss gestehen, die industriellen Maschinen, die Roboter haben mich fasziniert. Das ist ja eine große technische Leistung, die da dahintersteckt. Schockiert hat mich vielleicht, dass es möglich ist, Stoffe zuzusetzen und das nicht deklarieren zu müssen. Es gibt Zusatzstoffe, die nicht erfasst sind. Bei allen steht drauf: Hefe, Wasser, Salz, Mehl. Aber bei 90 bis 95 Prozent der Brote stimmt das nicht.

Mit HARALD FRIEDL sprach Mariella Moshammer

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