Handke-Uraufführung mit vielen Fragezeichen

Vom Autor ersehnter Bruch der Stille um Selbstmord Zdenek Adamecs bei den Salzburger Festspielen

Die Uraufführung „Zdenek Adamecs“ unter der Regie Friederike Hellers bei den Salzburger Festspielen war ein voller Erfolg.
Die Uraufführung „Zdenek Adamecs“ unter der Regie Friederike Hellers bei den Salzburger Festspielen war ein voller Erfolg. © Ruth Walz

Peter Handke bezeichnete seine für die Jubiläums-Festspiele in Salzburg geschriebene Aufarbeitung des Selbstmordes von Zdenek Adamec am Prager Wenzelsplatz am 6. März 2003 nicht als Drama, als Schauspiel; nein, er wählte den Namen „Szene“: ein zweistündiges, locker angeordnetes, pausenloses Gespräch sieben einsatzfreudiger Komödianten um ein Thema, das vielschichtiger ist, als manche annehmen.

Wir wagen einen Rückblick, der nach vielen Jahren zu dieser Uraufführung des frisch gebackenen Nobelpreis-Trägers für Literatur führte. Handke wurde 1942 im Kärntner Griffen geboren und nach der Jugend lange nicht sesshaft. Jan Palachs Selbstmord am Prager Wenzelsplatz im Sog der heranrollenden sowjetischen Panzer im Jänner 1969 hat bei dem introvertierten Autor großen Eindruck hinterlassen, ebenso ein Jugenderlebnis, das er nun im Programmheft preisgab.

Es war auf einer Reisepause in einer Bar in Dubrovnik, wo er versuchte, eine Gruppe am Abend verbliebener individueller Gäste aus der Stille heraus zu einem Gespräch zu bewegen. Dies gelang nicht, was ihm jahrzehntelang in Erinnerung blieb. Nun nahm er sich die Freiheit, seine Szene „Zdenek Adamec“ als Gespräch zufällig zusammentreffender Komödianten aus der Stille heraus zu einer, wenn auch wenig geordneten, so doch menschlichen Diskussion zu entwickeln.

Rätselraten um Motive eines Selbstmörders

Handke hatte nun seit dem 6. März 2003 Zeit, das Thema Selbstmord des Zdenek Adamec zu verarbeiten. Der Autor trachtete nicht danach, wissenschaftlich vorzugehen. Nein; er hasst bewiesene Tatsachen, er musste also den Gründen für Adamecs Tat, sich aus der Welt zu stehlen, auf den Grund gehen. Eine Vermutung reiht sich an die andere. Jeder Schauspieler weiß andere Geschichten, Elternhaus, Religionswahn, Hochzeitswunsch und ähnliche Probleme divergieren zu politischer Aggressivität in den sogenannten Sozialen Medien, die vielfach asozialen Charakter tragen. So auch bei Adamec. Fest steht: Adamec war alles andere als ein angenehmer Zeitgenosse, demnach ein Teil jener von ihm verurteilten Gesellschaft, der er sich im Zwiespalt entziehen musste.

Siebenköpfiges Ensemble lieferte starke Leistung

Das Sammelsurium von Handkes souverän formulierter Sprachgewalt wurde im Landestheater von Friederike Heller inszeniert, indem sie jedem der sieben Darsteller den geeigneten Text anvertraute. Jeder Schauspieler (Christian Friedel, André Kaczmarczyk, Nahuel Pérez Biscayart, Hanns Zischler) und jede Darstellerin (Luisa-Céline Gaffron, Eva Löba, Sophie Semin) war in der perfekten Personenführung von Heller, die gemeinsam mit Andrea Vilter eine spielbare Fassung hergestellt hatte, bis ins Detail hinreißend. Die Kostüme von Ulrike Gutbrod versuchten, die Vielseitigkeit des Textes in den Griff zu bekommen, das ebenso einfache wie die Atmosphäre von Stille bis Zirkusstimmung markierende Bühnenbild von Sabine Kohlstedt trug viel zur Bewegung der Darsteller bei. Schließlich war auch Live-Musik mit dabei: Renu Hossain, Michael Mühlhaus und Komponist Peter Thiessen schafften vielfältige Stimmungsbarometer.

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Die nahezu andächtig lauschenden Besucher spendeten bewundernden Applaus.

Termine, August, jeweils ab 19.30 Uhr: 13., 15. und 16.

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