Hat nichts mit dem Islam zu tun!?

Nach Wiener Anschlag braucht es von Muslim-Vertretung mehr als verbale Distanzierung

IGGÖ-Vorsitzender Ümit Vural: Islamismus-Problem in eigenen Reihen.
IGGÖ-Vorsitzender Ümit Vural: Islamismus-Problem in eigenen Reihen. © APA/Mandl

Wer vom Wiener Anschlag überrascht war, hatte die jüngere Vergangenheit ausgeblendet. Lange, bevor der „Islamische Staat“ (IS) nach der Ausrufung des „Kalifats“ in Syrien und im Irak 2014 in aller Munde kam, war Österreich schon eine Hochburg islamischer, auch international aktiver Extremisten. Selbst die moderne IS-Propaganda via Social Media hat ein Österreicher vorweggenommen.

Wiener IS-Vorreiter

2007 hatte sich Mohamed M. als führendes Mitglied einer „Global Islamic Media Front“ geoutet, die im Internet Drohvideos gegen die österreichische und die deutsche Bundesregierung verbreitet hatte. Wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung saß der Sohn eines aus Ägypten geflüchteten Muslimbruders vier Jahre im Gefängnis, ehe er 2011 nach Deutschland übersiedelte, um dort die Salafisten-Gruppe „Millatu Ibrahim“ zu gründen. Beim Versuch, illegal nach Syrien einzureisen, wurde er 2014 in der Türkei festgenommen, aber unter mysteriösen Umständen wieder freigelassen. Jedenfalls tauchte er kurz darauf im syrischen Raqqa auf. Für ein IS-Video ließ er sich bei der Ermordung eines Opfers filmen. Er gilt inzwischen als tot.

Islamistische Ideologie lebt

Nicht tot sind islamistische Ideologien, auch wenn sie nicht immer die schreckliche Fratze des Terrors zeigen. Studien belegen gerade hierzulande eine zahlenmäßig nicht unbedeutende Neigung zum Fundamentalismus, die per se noch nichts mit Terror zu tun haben muss, aber mit der Priorisierung religiöser gegenüber staatlichen Gesetzen eine Keimzelle dafür bildet. Die Grenzen zwischen Frömmigkeit, Fundamentalismus, Salafismus und Terrorismus sind fließend. Nicht jeder fromme Muslim ist Salafist, aber jeder Salafist hält sich für superfromm.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hat nach dem Wiener Anschlag gesagt, was von ihr erwartet wurde. Sie erteilte umgehend jeglicher Gewalt im Namen der Religion eine Absage. IGGÖ-Chef Ümit Vural sprach auch von „unserer liberalen Rechtsordnung“, die stärker als der Terror sei.

„Generation Allah“

So ehrlich das auch gemeint sein mag, so sehr steht die IGGÖ in der Pflicht, dieses Blutbad auch anzunehmen als Weckruf, mehr zu tun. Denn die Trennung zwischen islamistischem Terror und Islam wird nicht nur durch Bekenntnisse von Tätern zu salafistischen Koraninterpretationen erschwert. Dieser Zusammenhang lässt sich mit theologischem Geschick dekonstruieren.

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Schwieriger ist der Trennstrich jedoch dort zu ziehen, wo es um Glaubensalltag und Sozialisierung geht. Nicht nur in Wien wuchs und wächst sichtbar eine „Generation Allah“ heran, die im Glauben weltliche Defizite kompensiert. Eine Studie des Österreichischen Integrationsfonds über junge Muslime ergab vor einem Jahr: Je stärker die Orientierung am Islam, desto negativer die Einstellung zur Demokratie. Diese Korrelation ist je nach Herkunft unterschiedlich stark, aber ein nicht leugbares Faktum. Und zu dieser Realität tragen nicht nur prekäre Lebensumstände wie geringes Einkommen und/oder Bildungsferne sowie Ausgrenzungserfahrungen bei, sondern auch fundamentalistische Ideologien, die in der IGGÖ fern stehenden Hinterhofmoscheen, aber nicht nur dort gepredigt werden. Auch innerhalb der IGGÖ gibt es Gruppierungen, die mehr oder weniger offen Islamisten huldigen. Solange etwa der türkische Antisemit Necmettin Erbakan Muslimen als „großer islamischer Vordenker“ präsentiert wird, besteht ein Nährboden, der in Extremfällen auch terroristische Blüten treibt.

Distanz nur, wenn opportun?

Warum, so muss man nach dem jüngsten Anschlag noch einmal fragen, fand die IGGÖ kein Wort der Distanzierung, als kürzlich ihr Kritiker Efgani Dönmez unter Bezugnahme auf Erbakan mit Enthauptung bedroht wurde? Weil das nicht spektakulär und daher kein öffentlicher Druck da war?

Gefährliche Nonchalance

Nicht minder problematisch ist die Verharmlosungsneigung vor allem linker Politiker, deren Angst, ins rechte Eck gestellt zu werden, größer zu sein scheint, als die vor den Islamisten. Gerade im Wiener Wahlkampf war das Heischen der SPÖ nach Unterstützung aus dem Muslimbrüdermilieu unübersehbar. Dass in ebendiesem Milieu auch – gern als Israel-Kritik getarnte – antisemitische und antidemokratische Haltungen gepflegt werden, wird ausgeblendet.

Eine fatale Nonchalance, die spätestens jetzt als gefährlich erkannt werden sollte.

Eine Analyse von Manfred Maurer

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