Hatscher auf den Ötscher

Eigentlich gilt er als oberösterreichisches Nationalgetränk, aber auch in Niederösterreich wird er geschätzt, immerhin benannten sie ein ganzes Viertel nach dem Most. Wobei die Gegend vom Wienerwald bis zur Enns mehr zu bieten hat als den vergorenen Apfel- respektive Birnensaft. Mit dem Ötscher besteigt man bei der Summittour im Mostviertel sogar ein weithin sichtbares Wahrzeichen — er ist quasi der Fujiyama von Niederösterreich.

Am 10. November 1920 wurde die österreichische Verfassung beschlossen. Ein Nebenaspekt dieser Geburtsurkunde der Republik ist die Trennung von Wien und Niederösterreich in zwei eigenständige Bundesländer. Im Artikel 114 ist die „vollständige Trennung“ fixiert.

Die „Scheidung“ dauerte dann zwar noch über ein Jahr und die Aufteilung des „gemeinsamen Vermögens“ wurde in einem eigenen Trennungsgesetz fixiert. Trotzdem gibt es noch immer eine gemeinsame „Erbmasse“. So ist etwa der Wiener Wald zu einem großen Teil in Niederösterreich. Und gebe es Fünfteln wäre er wohl ein solches, aber Niederösterreich hat nur vier Vierteln und deshalb gehört der Wiener Wald zum Industrieviertel und bildet die Grenze zum Mostviertel.

Hoch über Tulln

Ein Grenzstein zwischen diesen beiden Vierteln ist die höchste Erhebung des Bezirkes Tulln: der Tulbinger Kogel mit 494 Metern. Geht man am Gipfel auch die 89 Stufen der Leopold-Figl-Warte hinauf, ist man über der 500er-Grenze und hat, wenn das Wetter passt, einen herrlichen Ausblick über das Tullnerfeld. Bereits 1896 wurde am Tulbinger Kogel ein Turm in Holz errichtet, in den 1960-er Jahren wurde es durch ein Bauwerk aus Beton von Clemens Holzmeister abgelöst. Gewidmet ist die Warte dem ersten Bundeskanzler der Zweiten Republik und Landeshauptmann von Niederösterreich: Leopold Figl wurde 1902 In Rust im Tullnerfeld geboren und starb 1965, kurz vor der Errichtung des Bauwerks. Über den Kogel geht der „Voralpenweg“, ein Weitwanderweg von Wien nach Salzburg, aber man kann ihn auch fast mit dem Auto besteigen. Nicht einmal 700 Meter entfernt beginnt bereits der Bezirk St. Pölten Land.

Abstiegsvarianten

Der Bezirk St. Pölten Land hat unglaublich viele Gesichter, von der Wiener Stadtgrenze im Wiener Wald bis zum Weingebiet an der Traisen, in Traismauer ist sogar ein kleiner Teil nördlich der Donau, bis zu den Alpen erstreckt sich dieser Bezirk. Die höchste Erhebung ist ganz im Südwesten – an der Bezirksgrenze zu Lilienfeld und Scheibbs. Der Hennesteck ist 1334 Meter hoch und die Besteigung geht am einfachsten per Lift. Eine Vierersesselbahn führt von Annaberg hinauf zum Gipfelkamm, von dort geht man vorbei am Speichersee hinauf zum Gipfel. Und hinunter gibt es dann verschiedene Varianten: Die schnellste geht per Zipline und Flying Fox in rund 90 Sekunden, man kann sich natürlich auch wieder auf den Lift setzen. Oder einen Wanderweg ins Tal nehmen.

Eine Grenzwanderung

Mit dem Bezirk Amstetten ist es so eine Sache: Er hat nämlich zwei Hälften, die nicht miteinander verbunden sind, denn die Statutarstadt Waidhofen an der Ybbs trennt diese Verwaltungseinheit. Der Hochkogel, die höchste Erhebung des Bezirkes, liegt im südlichen Teil. Um den höchsten Berg des Bezirkes zu besteigen, ist es außerdem ratsam, das Bundesland zu verlassen. Denn dieser Gipfel befindet sich am Gebirgskamm zwischen Niederösterreich und der Steiermark und er ist leichter von der steirischen Seite zu besteigen. Das Auto am besten in Palfau beim Gemeindeamt stehen lassen und ab dann geht es aufwärts — auf 1000 Meter, ungefähr bei der Hälfte des Aufstieges, bietet die Naturfreundehütte die Möglichkeit einer Rast.

Der ganze Gebirgsstock heißt Gamsstein und dieser besitzt einen rund drei Kilometer langen Gipfelkamm, dessen höchste Erhebung eben der Hochkogel ist. Das Gipfelkreuz, dass man als erstes am Grat erreicht, gilt aber leider nicht. Der Hochkogel liegt nämlich ein bisschen weiter westlich und hat leider kein Kreuz, trotzdem hat man von dem 1774 Metern eine großartige Aussicht. Will man einen Rundweg gehen, muss man wieder die paar Meter zurück, den Kamm entlang — der auch die Landesgrenze markiert — und dann über die Moaralm retour nach Palfau.

Ein echtes Wahrzeichen

Weithin sichtbar und gleich in zwei Bezirken der absolute Höhepunkt ist der Ötscher. Die Kelten gaben dem beherrschenden Berg der Region den Namen ocàn („Vaterberg“), woraus unter späterem slawischem Einfluss der Name Ötscher wurde. Durch seine isolierte Stellung ist der Berg schon aus 100 km Entfernung sichtbar. Aus nördlicher Richtung erscheint er massiv und breit, von Westen und insbesondere Osten sieht man jedoch seine Schmalseite. Der Ötscher ist von mehreren Seiten aus gut zu erwandern. Genusswanderer nützen den Ötscherlift in Lackenhof zum Aufstieg bis zum Ötscherschutzhaus. Von hier aus braucht man keine 90 Minuten zum Gipfel, ambitioniertere Bergsteiger nehmen den „Rauhen Kamm“, um auf den 1893 Meter hohgen Gipfel zu kommen.

Südlich des Ötschers liegen zudem die weithin bekannten Ötschergräben. Majestätische Kalkgestein-Landschaften, Höhlen und Wasserfälle wie der Mirafall lassen das Wanderherz höherschlagen. Und für Pilger ist es die letzte Herausforderung vor dem Ziel in Mariazell.
Aber der Ötscher ist zwar eines der östlichsten Hochgebirgsmassive, aber noch nicht der Höhepunkt des Landes Niederösterreichs, der liegt in der Rax-Schneeberg-Gruppe und damit im Industrieviertel …

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