Heldenepos trifft Heimatfilm

„Klammer — Chasing the Line“ wird nicht viele Preise, aber Zuschauer bekommen

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Wer damals, nämlich 1976, schon aus den Windeln draußen war, erinnert sich, als ob es gestern gewesen wäre: Franz Klammer hält der Favoritenrolle und dem Erwartungsdruck stand und gewinnt beim Abfahrtslauf der Olympischen Winterspiele in Innsbruck die Goldmedaille. 45 Jahre später gibt es den Film: „Klammer — Chasing the Line“.

Es ist kein Biopic, sondern ein Heldenepos, das der Steirer Andreas Schmied („Harri Pinter, Drecksau“) inszenierte. Das Drehbuch fokussiert auf die wenigen Tage vor dem Rennen und den Ritt über den Patscherkofel selbst.

Dort versucht der Held im Training tagelang vergeblich, die im Titel angesprochene Ideallinie zu finden und muss zudem seinen härtesten Widersacher austricksen, seinen Skifabrikanten.

Und tatsächlich lebt dieser Film von der intensiven Darstellung der beiden Duellanten: Der 25-jährige Kärntner Julian Waldner spielt den Naturburschen Klammer, der kein Held sein, sondern eigentlich bloß skifahren möchte, der 53-jährige Burgschauspieler Robert Reinagl verkörpert den Skifabrikanten Kommerzialrat Josef „Pepi“ Fischer.

Längere Zeit ist man sich bei diesem knallig daherkommenden Film nicht sicher: Meinen die das ernst? Schmied trägt derartig dick auf und legt einen so fetten Sound über aufgeregte Bilder, als ginge es um die Weltherrschaft — und nicht bloß um ein kaum zweiminütiges Skirennen.

Der Abschied des Kärntner Bergbauernbuben von den Eltern könnte auch aus einer „Heidi“-Verfilmung stammen, die Zustände im Olympischen Dorf wirken wie eine Mischung aus Skikurs und „La Boum“. Auch die Love Story mit der in Wien studierenden Eva (Valerie Huber) unterstreicht: „Klammer — Chasing the Line“ ist in jeder Sekunde familientauglich und richtet sich ans breite Publikum.

Keine Ideallinie für Arthouse-Fans

Auch wenn Andreas Schmied in diesem 5,5 Millionen-Euro-Film die Ideallinie der Arthouse-Fans sichtlich nicht interessiert, bietet er doch Aspekte, die ihn sehenswert machen. Der Trumpf dieses Skifahrer-Epos sind nicht spektakuläre Action-Szenen von halsbrecherischen Abfahrten (die von Gerald Salmina gar nicht so aufregend ins Bild gerückt werden, da mag Doris Drexl als Mutter Klammer noch so um ihren Buben zittern), sondern die Ausstattung: Rudolf Czettel und Theresa Ebner-Lazek (Kostüm) tauchen genussvoll ein in die 70er-Jahre und lassen den Film zum Nostalgie-Trip werden, der mehr als einmal schmunzeln lässt.

Dieses Schmunzeln lässt auch die Mundwinkel von Waldner und Reinagl immer wieder zucken. Denn so hundertprozentig scheinen sie ihre holzschnittartigen Figuren nicht ernst zu nehmen. Deswegen schafft es der Klammer-Darsteller, den Naturburschen grundsympathisch darzustellen, ohne ihn als naiven Dummkopf zu desavouieren, deswegen bekommt der Kommerzialrat, der seinem besten Werbeträger in letzter Minute den neu entwickelten Lochski aufzwingen will, zwar eine starke dämonische Note, bleibt aber dennoch stets dem Irdischen verbunden.

Bei der Heimkehr als Olympiasieger steigt im Film die 67-jährige Sportlegende Franz Klammer plötzlich selbst aus dem Auto. Ein berührender Zieleinlauf für einen Film, der vielleicht nicht viele Preise, wohl aber viele Zuschauer bekommen dürfte.

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