Herrn Josefs dunkles Spiegelkabinett

Kabarett: Josef Hader ließ mit „Hader on Ice“ im Linzer Posthof eine Erzählflut überlaufen

Demontiert die Bühnenfigur Josef Hader: Josef Hader
Demontiert die Bühnenfigur Josef Hader: Josef Hader © Lukas Beck

Josef Hader ist reich, als Kabarettist aber immerhin „kritischer Reicher“. Eine stete Drohung, wenn er arrogant den Fuß zur Seite stellt. Afrikaner, denen’s nicht so gut geht? Leider ungünstige Gegend gewählt. Man kann sich eben nicht überall ansiedeln. In Zeiten wie diesen muss jeder seinen Beitrag leisten.

Übles Geschwätz. Nach dem Herrn Karl jetzt der Herr Josef. Der eine konnte für die Nazis nichts, der andere hat den Planeten abgeräumt. Kollateralschäden, ja auch. „My generation“, der Boomer streut routiniert Asche aufs Haupt. Eine Generation zwischen Aggression und Selbstmitleid.

„Hader on Ice“, am Freitag erstmals in Linz im Posthof zu sehen, attackiert unbarmherzig Selbstbilder. Eigentlich wären wir eh ganz nett. Wenn nicht die Umstände. Fast drei Stunden lang (mit Pause) lässt Hader eine vielfach verschachtelte Wort- und Erzählflut überlaufen. Da spricht ein Ich, spricht auch eine gewaltige Projektionsfläche. Ein gruseliges Spiegelkabinett des eigenen dunklen Herzens, in das Hader den ordentlichen Kabarettbesucher lotst.

Er besäuft sich live. CO2-neutraler Rum aus Kuba, mit Segelschiffen transportiert. Man ist ja so individuell. Man ist auch achtsam. Wenn man einen guten Tag und genug Geld hat.

Riecht schon säuerlich

Quarantäne in der Pandemie bot Zeit, Verschwörungen auf die Spur zu kommen. Geheime Netzwerke, „de Baam (Bäume) san kane Guadn, die Pflaunzn san Oaschlecha“. Konsequent demontiert Hader die öffentliche Figur Hader. Weißer alter Mann, der mit Skateboard und im Kapuzenpulli zur Darmspiegelung fährt. Der säuerlich riecht und die blutjunge Studentenfreundin vergeblich um Sex anbettelt. Zynische Ablenkungsmanöver mit Witzen über Hitler. Hätte der Führer seinen entsetzlichen Mundgeruch als Waffe an der Ostfront eingesetzt, die Welt sähe heute anders aus.

Als unsichtbarer Begleiter Haders ein Wolf namens Rudl. Der Mensch des Menschen Wolf, was übrigens dem sozialen Rudeltier Wolf Unrecht tut. Gesellschaftskritik gar nicht smart und noch weniger trendy, doch genau damit konfrontiert Hader im Mäntelchen des Selbstzerstörungstrips. Mit der schwarzen Spritzpistole, mit der er sonst gerne Fahrradboten vertreibt, visiert er das Publikum an. Herzenskalter Jäger, die anderen bloß Beute- und Nutztiere. Neoliberale Eislandschaft, nur scheinbar paradox in Zeiten der Erderwärmung.

Am Ende setzt sich Hader ans Klavier und performt „Somewhere Over the Rainbow“. Singt bittersüß, singt mit der grollenden Stimme eines Tom Waits, selbst ein Meister der Varieté-Kunst der Anverwandlung. Hoffnung hinterm Regenbogen? Wer´s glaubt. Zuerst müssen Egopanzer zertrümmert werden. Weil es einen selbst betrifft ein naturgemäß verstörender Auftritt. Fies und fabelhaft.

Von Christian Pichler

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