Heute ohne Sprengstoffgürtel

„Contra“: Sönke Wortmann und die politische Korrektheit als Komödie

Wissen macht Macht: Nilam Farooq und Christoph Maria Herbst in „Contra“
Wissen macht Macht: Nilam Farooq und Christoph Maria Herbst in „Contra“ © Constantin Film

„Sie müssen lernen, nichts persönlich zu nehmen!“ Boah, wenn es so einfach wäre, … dann wäre das Leben vielleicht doch ein Ponyhof.

Aber Naima Hamid kriegt da noch ganz andere Dinge zu hören, als sie zu spät zur ersten Vorlesung von Professor Richard Pohl kommt. Da lässt Pohl einiges vom Stapel, manches geschliffen formuliert, manches auch einfach nur beleidigend. „In meinem Kulturkreis bedeutet Pünktlichkeit noch etwas“.

Schlau genug, um die permanente Gefahr der Smartphones zu bedenken, ist er nicht. Augenblicklich kursieren seine politisch überaus inkorrekten Aussagen als Video im Netz, der Professor kriegt einen Anschiss, seine Stelle kann nur noch der persönliche Einsatz retten. Er soll Naima, die künftige Anwältin, für einen Debattierwettbewerb trainieren, was zuerst wie ein auswegloses Unterfangen aussieht, aber nach und nach … Nein, lassen Sie sich nicht zu viel verraten von der Komödie „Contra“ von Sönke Wortmann. Nur soviel: Wahnsinnig überraschend endet sie nicht.

Aber für die Unterhaltung sorgt bei diesem Film gar nicht so sehr die Handlung als vielmehr der Cast. Nilam Farooq ist eine coole, sympathische und selbstbewusste junge Frau. Sie will Anwältin werden, weil sie ihrer Familie helfen will, in Deutschland bleiben zu können. Sie lässt sich von dem alten weißen Mann namens Pohl nicht einschüchtern, aber kann ihm verbal auch nicht wirklich standhalten.

Als Pohl hat Wortmann den absolut passenden Mann besetzt: Christoph Maria Herbst. Als würde ihm der zwischen Boshaftigkeit und Witzigkeit changierende Zyniker direkt aus den verschmitzten Augen wachsen.

Auf die Plätze, argumentieren und los!

Die beiden Pole wachsen im Laufe ihrer Zusammenarbeit zusammen, auch wenn Naima von Pohl noch immer mit den Worten „Frau Hamid, heute ohne Sprengstoffgürtel unterwegs“ vorgestellt wird.

Die sportliche Sicht aufs Debattieren ist vielen nur aus dem angelsächsischen Raum bekannt, kann aber jederzeit und von jedermann versucht werden: Stellen Sie zwei Menschen gegenüber auf. Der eine ist dafür, dass Polizisten künftig gelbe Partyhüte tragen, der andere ist für pinke. Auf die Plätze, argumentieren Sie und los!

Wortmann hat den perfekten Zeitpunkt für das deutsche Remake des französischen Originals „Die brillante Mademoiselle Neila“ (2018) getroffen: Wann wurde schon jemals soviel über Sinn und Unsinn politisch korrekter Sprache gesprochen. Und wann jemals wirkte die Lage so aussichtslos, je auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

„Contra“ prangert hier zwar den allzu flapsigen Umgang an, zeigt, dass Worte den Empfänger durchaus schmerzen können, auch wenn der Sender es hundert Mal nicht so gemeint hat. Aber es wird auch der wunderbaren Tatsache viel Spielraum gelassen, dass Humor und Sprache recht gut miteinander können, und — wenn die Fronten geklärt sind — auch ein noch so rassistischer Scherz zum Lachen ist. So schmunzelt Naima schließlich auch über den Sprengstoffgürtel. Würde man heute noch von „Culture-Clash-Komödien“ sprechen, wäre „Contra“ eine sympathisch-intelligente solche.

Von Mariella Moshammer

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