Höchste Qualität am Bodensee

Br egenzer Festspiele mit Puccini und Giordano

Bei gutem Wetter ist die „Butterfly“ auf der Seebühne zu bewundern.
Bei gutem Wetter ist die „Butterfly“ auf der Seebühne zu bewundern. © APA/Stiplovsek

Unbeirrt von Krisenzeiten starteten am 20. Juli die 76. Bregenzer Festspiele mit einem gewohnt spannenden Programm ihrer Opernproduktionen. Ein das Ambiente beherrschende Papiermassiv auf der Seebühne fängt spontan die Blicke, dient aber zugleich als „einzige“ Kulisse für den ersten Premierenabend mit Giacomo Puccinis „Butterfly“, jener Oper, die erstmals in Bregenz inszeniert wurde und für Regisseur Andreas Homoki einen langgehegten Traum erfüllte. Mit dem einzigen Hindernis, dass sein „Schmetterling“ nur einen kurzen Flug absolvieren konnte. Drohende Gewitter zwangen mitten im zweiten Akt zur Verlegung der Premiere in das Festspielhaus. Das brachte den Verzicht auf die imponierende Ausstattung von Michael Levines Bühne und der wichtigen Video- und Lichtgestaltung von Franck Evin und Luke Halls.

Aber bei einer noch so perfekten klanglichen Ausrichtung beim Open Air, ist im Haus doch mehr Einfluss möglich auf die auch charakterliche Durchzeichnung der einzelnen Protagonisten, sei es durch Tempozurücknahme oder bessere Distanznähe. Gar nicht zu reden von den fantasievollen Kostümen in ihrer Echtheit und Glanzstärke (Antony McDonald).

Der musikalische Eindruck — sei es vom Orchester der Wiener Symphoniker mit Enrique Mazzola am Pult oder den Stimmen — war überwältigend und tröstete über die Umstände hinweg. Allen voran Barno Ismatullaeva als Cio-Cio-San als Butterfly mit einer atemberaubend klaren Höhe, ihr ebenbürtig Brian Mulligan als vor der drohenden Tragödie der Heirat mit einem Amerikaner mahnender Sharpless, Annalisa Stroppa als ihrer Herrin treue Suzuki. In seiner Ausstrahlung nicht ganz überzeugend wirkte der Pinkerton von Edgaras Montvidas zum Unterschied von der Butterfly mit ihren Echtheit glaubhaft machenden Liebesgefühlen. Als guter Onkel Bonzo mit gewaltiger Stimme war Levente Páll über eine Videoprojektion zu sehen, sinngemäß für die anfangs zerknitterten Papierblätter, die am Ende der Selbstmordtragödie für das Weiterleben stehen. Der Bregenzer Festspielchor in Gestalt der Geishas fand im Prager Philharmonischen Chor eine ideale Ergänzung. Das Publikum jubelte begeistert.

Auf Japan folgte mit „Sibirien“ Russland

Der zweite Premierenabend in Bregenz mit Umberto Giordanos Verismo-Oper „Sibirien“ war auch für Kenner mehr oder minder unbekannt und nicht so spontan zugänglich. Wieder nehmen zwei Liebende jedes Opfer füreinander auf und werden im Kampf für ihre Leidenschaften mit der schadenfrohen Gesellschaft brutal konfrontiert. In jedem Ton der Musik steckt Liebe. „Ich habe mich in das Werk sofort verliebt“, bekennt der in Russland ausgebildete Regisseur Vasily Barkhatov und ließ sich dafür eine atmosphärisch echte Bühne von Christian Schmidt bauen und Kostüme von Nicole von Graevenitz anfertigen.

Einfallsreiche Umsetzung

Das Eintauchen in die Welt der Petersburger Kurtisane Stephana, glaubwürdig dargestellt und gesungen von Ambur Braid, die einen reichen Fürsten heiraten soll und lieber einem Soldaten in das sibirische Straflager folgt. Bei der Flucht trifft Stephana der tödliche Schuss aus der Hand der Verräter mit Gleby als Hauptvertreter, der sie einst in das Geheimnis der Liebe eingeführt hat. Eine dankbare, herausfordernde Rolle für Scott Hendricks, der sich in einem Sexrausch auf der Bühne austobt. So unschön, so gut, weil einfallsreich, wie die ganze Umsetzung der drei Akte.

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Dass Barkhatov der Partitur allerdings „Die alte Frau“ aus Italien mit russischen Wurzeln hinzugefügt hat, erleichtert das Verständnis für den Stoff nicht. Vielmehr entsteht der Eindruck einer märchenhaften Illusionserzählung mit Anleihen aus einem historischen Disney-Film und ist für Giordanos herrliche Musik überflüssig. In dieser ist der Stil der russisch-orthodoxen Kirche zu erkennen, die Melodie eines ukrainischen Volksliedes, das Zitat der russischen Kaiserhymne, der Chorgesang beruht ebenfalls auf einem russischen Lied der Wolgaschlepper.

Der Orchesterklang ist oft düster durch unbestimmte Basstremoli, verschatteten Moll-Harmonien oder chromatischen Skalengängen. Wie die Weite der sibirischen Landschaft sind die leitmotivisch eingesetzten Chöre konzipiert, Glocken, Trompeten und Tamburin illustrieren klanglich das „Drama der Leidenschaften“. Valentin Uryupin am Pult bringt diese bis ins Exotische ausufernde Klangmischungen berührend zu Gehör. Die Sängerdarsteller fügen sich mit viel Hingabe in ihre ungewohnten Rollen: Fredrika Brillembourg als Nikona, Alexander Mikhailov als unglücklicher Vassili, Omer Kobiljak als Fürst Alexis und Manuel Günther als Der Kosak. Der Prager Philharmonische Chor lobte wieder seinen Leiter Lukás Vasilek, die Bühnenmusik entstand in Kooperation mit dem Vorarlberger Landeskonservatorium. Eine spannende Reise, die die Bregenzer da offerierten und für die die Festspielleitung auch enthusiastisch bedankt wurde.

 

Von Georgina Szeless aus Bregenz

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