Hybride Räume, durch die wir gleiten

Linzer Schloss zeigt Installation der kürzlich verstorbenen Brigitte Kowanz

Poesie und Humor verbinden Brigitte Kowanz´ „Emojis“ aus 2022, die an Monde erinnern.
Poesie und Humor verbinden Brigitte Kowanz´ „Emojis“ aus 2022, die an Monde erinnern. © Michael Maritsch, STUDIO BRIGITTE KOWANZ/Bildrecht Wien, 2022

Im Linzer Schlossmuseum taucht man in der neuen Ausstellung „Brigitte Kowanz. ISTR“ (bis 24. Juli) in eine ganz besondere Atmosphäre aus Lichtkunst ein, die einen ruhigen, fast meditativen wie poetischen Charakter ausstrahlt. Geschaffen hat sie — kurz vor ihrem Tod im Jänner dieses Jahres im Alter von 64 Jahren — Brigitte Kowanz.

In deren Auseinandersetzung mit zwei hallenähnlichen, fensterlosen Räumen entstand ein geniales Gesamtkonzept, das „letzte großartige Statement“ (Landeskultur-GmbH-Chef Alfred Weidinger) einer bedeutenden österreichischen Künstlerin. Besonders reizvoll und spannend sind daran die vielen Lesarten, die sich bei näherer Betrachtung und in der Interaktion ergeben können.

Leuchtende Linien, die sich an Wänden und Boden schlängeln, Emojis, die an Monde erinnern, Licht- und Spiegelelemente an und um Säulen. Die unvorbereitete Betrachtung sorgt für die beschriebenen Eindrücke, die dem oft rasend schnellen Strom unserer Zeit entgegenstehen. Bei der Bewegung durch die Ausstellung erschließen sich immer wieder neue Perspektiven. Gar nicht zu sprechen von der großen ästhetischen Anziehungskraft, die die Objekte — gerade auch in ihrer Gesamtheit — ausüben.

Kowanz arbeitete noch im Jänner an der Ausstellung

„Das ist keine klassische Ausstellung, für die man Werke im Depot aussucht, sie ist als eine Installation zu sehen“, betont Museumschef Alfred Weidinger. Der Kunsthistoriker hat Kowanz einst filmisch bei ihrer Arbeit für den Österreich-Pavillon bei der Venedig Biennale 2017 begleitet, die ihr große internationale Anerkennung einbrachte. Die Räumlichkeiten im Linzer Schloss haben die Lichtkünstlerin sofort begeistert und inspiriert. Noch Anfang des Jahres hat sie an der Ausstellung gearbeitet, die nach ihren Entwürfen fertiggestellt wurde.

Ausgangspunkt sind die vier tragenden Säulen in der ersten Halle, die Kowanz mit Leuchtringen und Spiegeln zu Lichtskulpturen gestaltet hat. Deren Anordnung steht für Morsecodes, die die Buchstaben ISTR ergeben, das Akronym von I Seem To Recall. „Morsecodes, Akronyme, die Sprache – das sind wesentlichen Elemente im Schaffen von Kowanz“, erklärt Kuratorin Sabine M. Sobotka.

„Die Arbeiten mit Spiegel und Licht zeigen eine Verschränkung von Digitalem und Realem, hybride Räume, durch die wir heute ständig gleiten“, ergänzt Sohn Adrian Kowanz, der die rechte Hand der Künstlerin war. Ein Lichtkabel, dessen Länge in Bögen und Verschlingungen mit dem eingeschriebenen Morsecode das Abschicken der ersten Email aus den USA und deren Ankunft in Deutschland markieren: Titel „Email 02.08.1984 03.08.1984, 2020“. Emojis, die für verkürzte Sprache stehen, denen Kowanz das englische Wort für ich, I, und damit die eigene Anwesenheit einschrieb. Ein leuchtender Satz aus 13 Akronymen in der Handschrift von Kowanz regt den Betrachter zum Decodieren an.

Der zweite Bereich, ein Schwarzlicht-Raum, birgt Reminiszenzen an Arbeiten von Kowanz aus den 1980er-Jahren, Titel wie „Flashback“ weisen darauf hin. Die Medienkünstlerin hat sie weiterentwickelt mit modernen technischen Möglichkeiten. Die eingeschriebenen Morsecodes übersetzte sie via iPad auch in Töne.

Ganz bewusst habe man auf Raumtexte verzichtet, mehr Infos könne man über QR-Codes beziehen, heißt es. Leider können diese aufgrund des schlechten Empfanges nicht von allen Handy-Netzen gelesen werden. Das Auflegen eines analogen Heftchens könnte da hilfreich sein, um es allen Besuchern zu ermöglichen, in dieser großartigen Schau ein wenig tiefer zu schürfen.

Von Melanie Wagenhofer

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