„Ich bin der Clown, es nutzt alles nichts“

Als Enrico spielte er sich in die Herzen der Kinder — Am 7. April wird Heinz Zuber 80

Heinz Zuber in seiner Paraderolle als Enrico.
Heinz Zuber in seiner Paraderolle als Enrico. © ORF

Sein Pfiff, sein „Soll ich sagen? Ich sag niiicht. Ich singe viel, viel lieber!“, seine rote Nase und die Blume am zerknautschten Hut: Die ORF-Kinder-Sendung „Am dam des“ ohne Heinz Zuber als Enrico undenkbar.

Am 7. April feiert der Mann, der in seiner Karriere noch viel viel mehr Rollen verkörperte, seinen 80. Geburtstag.

VOLKSBLATT: Als Sie mich vor ein paar Tagen angerufen haben, habe ich danach einem Freund erzählt: „Der Enrico hat mich angerufen!“ Der war ganz aus dem Häuschen. Sie haben gleich mehrere Generationen von Menschen als Clown begeistert und tun das bis heute. Wie fühlt sich das an für Sie?

HEINZ ZUBER: Das begeistert mich selber, weil ich es nicht erwartet habe. Aber ich erlebe es wirklich jeden Tag, und es ist unglaublich. Wenn ich irgendwo rausgehe, kommt irgendjemand ganz freundlich auf mich zu und sagt: „Das war wunderbar!“ Es ist eine Überraschung und es ist eine unglaubliche Freude. Es kommen zauberhafte Reaktionen und das bauchpinselt einen auch.

Wie viel von dem Clown, den Sie damals verkörpert haben, steckt denn heute noch in Ihnen?

Ich bin der Clown, es nutzt alles nichts. Ich habe 28 Jahre den Clown gespielt. Das weiß nicht jeder, weil alle denken: „Das war als ich klein war, das ist 100 Jahre her!“ Ich habe auch immer dafür gekämpft, dass er im Programm bleibt. Ich hatte auch danach noch Auftritt als Enrico, die ich selber geschrieben habe. Das hat mir große Freude gemacht. Als Schauspieler spielst du das, was andere dir geben. Und als Enrico habe ich selbst meine Szenen und Lieder geschrieben.

Das heißt, das war damals alles von Ihnen?

Am Anfang war das von Autoren geschrieben, aber je länger ich dabei war, desto mehr habe ich durchgesetzt, dass ich das selber schreibe. Ich habe auch komponiert und die Enrico-Lieder sind jetzt gesammelt in Buchhandlungen zu haben. Die sind vor ein paar Jahren herausgebracht worden.

Anfangs hatte Enrico ja noch einen starken italienischen Akzent …

Ja, da haben Sie Recht. Der italienische Akzent kam von der Zeit, als ich mit Giorgio Strehler am Burgtheater war. Ich habe gedacht, ein Clown der Enrico Emmanuel Theobaldissimus Fillissi Maximo heißt, der muss mit einem italienischen Akzent reden. Weil so hat Giorgio Strehler gesprochen. Da ich aber so gerne gesungen habe, musste ich diesen Akzent ein bisschen reduzieren, sonst wäre Enrico Iglesias herausgekommen.

Wenn ich mir heute Videos aus der Zeit mit Enrico ansehe, sehe ich diese fein gezeichnete Kunstfigur, als Kind hat er mich einfach wunderbar unterhalten. Hatten Sie, wenn Sie Enrico gespielt haben, auch das erwachsene Publikum im Kopf?

Schon. Weil, man hat mir immer vorgeworfen, im Fernsehen nie mit Kindern aufgetreten zu sein. Ich wollte Sketches spielen, Sketches, in denen sich Kinder wiedererkennen und auf die auch Erwachsene Lust haben. Wenn ich als Enrico im Burgtheater aufgetreten bin, dann waren immer die Eltern, Großeltern usw. mit. Und das war mir wichtig. Die konnte man genauso animieren und die haben sich genauso amüsiert. Das war für mich schon ein Erfolgserlebnis.

Ich hatte als Kind Angst vor Clown Habakuk, vor Enrico aber nie. Was hatte denn Enrico, dass er so positiv von Kindern wahrgenommen wurde?

Habakuk … das war sein Revier. Und als der Enrico gekommen ist, ist der fast verrückt geworden. Die haben mich bekämpft. Also nicht mich, den Enrico! Ich habe mich durchgesetzt, aber das war nicht einfach. Habakuk, der Arminio Rothstein, war ein ganz toller Puppenkünstler. Was der alles gemacht hat … ein eigenes Theater, wo er „Die Dreigroschenoper“ mit Puppen aufgeführt hat! Aber die Kinder, die hat er gar nicht sehr mögen. Und er war furchtbar eifersüchtig auf den Enrico. Es nutzt alles nichts, man muss es auch aussprechen. Enrico war ich als Kind, oder wie ich als Kind gerne sein wollte. Was ich für Irrtümer gehabt habe, was ich geglaubt habe, ich habe mich in die Kinder versetzt. Charlie Chaplin hat zum Beispiel einmal gesagt, er imitiere Kinder. Ich war ein sehr schüchternes Kind und habe eine sehr große Fantasie gehabt. Und dann konnte ich das ausleben. Mir ist auch zu jedem Thema eine Clown-Fantasie eingefallen. Zur Nationalhymne hat Enrico gesungen: „Heimat bist du großer Söhne …“ Er war ganz begeistert. Aber dann hat er nachgedacht und gesungen „Aber wo bleiben die Töchter? Das wäre doch viel gerechter, wenn die Töchter, wenn die Töchter, erwähnt worden wären.“

Haben Sie das Kostüm von Enrico eigentlich noch?

Ja, eines ist im Theatermuseum und eines habe ich noch im Schrank.

Ihr Leben ist durchzogen von Kunst. Woher kam dieses Feuer dafür?

Es war Überlebenswille. Ich hatte im Grunde wahnsinnig viel Glück. Ich bin von Paris nach Wien gefahren zur Aufnahmeprüfung des Reinhardt Seminars. Von 200 Schülern haben sie zehn genommen und ich war dabei. Ich habe von zuhause keine Unterstützung gehabt, ich habe in Paris Jobs gemacht, Karikaturen gezeichnet am Montmartre, ich habe gespart. Das hat dann in Wien knapp ein Jahr gereicht. Im zweiten Jahr habe ich ein Stipendium gehabt und durfte Theater spielen an der Josefstadt, und im dritten Jahr habe ich schon gespielt, dann kam das Fernsehen. Ich habe das damals ehrlicherweise als selbstverständlich angesehen – das war es aber nicht.

War das Komische eigentlich immer ihr liebstes Fach?

Nein, gar nicht. Aber ich habe gemerkt, wenn ich rauskomme, da lachen die Leute. Meine erste Rolle war ein schwindsüchtiger Franzose, der dann auch noch stirbt. Ich hätte gerne viel mehr ernsthafte Rollen gespielt.

Wenn man soviel wie Sie gemacht hat künstlerisch, kann man dann sagen „Das habe ich am allerliebsten gemacht!“?

Ja, das war der Enrico! Das weiß ich aber erst jetzt. Das war einfach Kreativität, da konnte ich frei sein. Ich war zwar nicht im ORF frei, aber in meinen selbstgeschriebenen Texten und Liedern war ich es. Ich habe natürlich auch Anderes gemacht. Bei Taboris „Mein Kampf“ war ich Himmlischst und habe unglaubliche Kritiken gehabt. Ich habe den Vater der Desdemona in „Othello“ gespielt. Ich habe schon ernsthafte Rollen gespielt, und ich hätte gewünscht, dass es vielleicht mehr wären. Aber da glaube ich, hat der Enrico schon ein bisschen reingehauen. Aber da will ich nicht drüber nachdenken, das ist so.

Otto Schenk war einer Ihrer Lehrer und hat erst vor Kurzem seinen Rückzug von der Bühne erklärt. War das für Sie je eine Option, mit 90 noch zu spielen?

Nie im Leben! Ich habe Otto Schenk immer sehr, sehr bewundert, aber in seinen letzten Jahren — da weiß ich nicht, ob er so bewundernswert war mit seinen Auftritten und mit Niavarani tiefe Witze zu machen, das hat mir nicht gefallen. Aber er ist ein ganz grandioser Künstler, was der in seinem Leben geleistet hat und auch was er vermittelt hat! Er war so gescheit und grandios. Aber immer weiter auftreten, ich weiß nicht, das muss man nicht.

Unter den derzeitigen Umständen – wie werden Sie Ihren 80. Geburtstag feiern?

Ich werde zuhause bleiben, mit Freunden telefonieren. Zu dritt oder zu viert vielleicht ein bisschen feiern. Es wird keine große Party geben. Ich wüsste nicht, dass ich 80 bin, wenn Sie mich nicht angerufen hätten (lacht). Aber große Feste hat es bei mir nie gegeben.

Heute kommt man um die Frage nicht herum, wie es Ihnen im vergangenen Ausnahme-Jahr gegangen ist …

Sie leiden wahrscheinlich mehr als ich. Ich bin Pensionist, es geht mir gut, ich gehe mit meinem Hund spazieren, ich gehe in Geschäfte, oder es holt eine gute Fee für mich Dinge. Es soll niemandem schlechter gehen, als es mir geht mit Corona. Wissen Sie, ich habe mir als Kind vorgestellt, es müsste ein Kästchen geben, wo man die ganze Welt sehen kann. Und jetzt gibt es dieses Kästchen. Man kann in den Computer sehen, in den Fernseher, und gute Sendungen sehen. Ich liebe das.

Mit Schauspieler HEINZ ZUBER sprach Mariella Moshammer

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