„Ich war froh, über alles reden zu können“

Ferry Öllinger spielt in „Arthur & Claire“ einen Todkranken – ab 15. 2. im Linzer Theater Phönix

Er hat Lungenkrebs, sie verlor bei einem Unfall die ganze Familie. Gemeinsam retten sie sich aus der Verzweiflung: Ferry Öllinger und Kristina Sprenger als „Arthur & Claire“.
Er hat Lungenkrebs, sie verlor bei einem Unfall die ganze Familie. Gemeinsam retten sie sich aus der Verzweiflung: Ferry Öllinger und Kristina Sprenger als „Arthur & Claire“. © Monika Fellner

Josef Hader und Hannah Hoekstra spielten 2017 die Hauptrollen im Filmdrama „Arthur & Claire“. Das gleichnamige Stück von Stefan Vögel hatte vergangenen Oktober in Perndorf Premiere. Ab 15. Februar übersiedelt die Inszenierung in das Linzer Theater Phönix. Ferry Öllinger, Phönix-Urgestein und vormaliger TV-Kieberer der „Soko Kitzbühel“, spielt gemeinsam mit Ex-„Soko“-Kollegin Kristina Sprenger. Das VOLKSBLATT bat Öllinger zum Gespräch.

VOLKSBLATT: Regisseurin Christine Wipplinger soll aus „Arthur & Claire“ ein sehr lebensbejahendes Stück gemacht haben. Woraus schöpfen Sie Lebensfreude?

FERRY ÖLLINGER: Aus der Begegnung mit Menschen. Ich bin grundsätzlich auf Menschen neugierig. Auf solche, von denen ich für mein Leben lernen kann. Ich bin nicht der Typ Einsiedler, der sich dauernd mit sich selbst beschäftigt – was eh auch wichtig ist. Aber die Begegnung ist das, was mir am meisten Freude macht

Als Einsiedler würden Sie verkümmern?

Nein. Aber es wäre mir zu wenig. Auf der Welt sind acht Milliarden Menschen, und es sind sicher sehr interessante dabei. Die Menschen, die ich kenne, die paar, die ich meine Freunde nennen darf, haben mir immer etwas gebracht für mein Leben.

Wie sind Sie auf „Arthur & Claire“ gestoßen?

Kristina (Sprenger, Anm.) hat das Stück schon vorher gekannt und wollte es schon länger machen. Ihr Wunsch war, es mit mir zu machen. Nach der Bekanntgabe des Endes von „Soko Kitzbühel“ im Juli 2020 war klar, dass ich im Sommer 2021 Zeit haben würde. Die konkrete Anfrage kam, ich hatte gerade den Film „Arthur & Claire“ gesehen. Ich fand Thema und Film toll, ich sagte spontan zu. Bei der „Soko“ habe ich Kristina 13 Jahre als Kollegin schätzen und lieben gelernt. Also wusste ich, das wird eine schöne Theaterarbeit.

Eine Wohlfühlgarantie?

Beim Theater ist es so, man gibt eine gewisse Lebenszeit her. Im Film sind es vielleicht sechs Wochen, im Theater zieht sich das über Monate, in unserem Fall ein Jahr. Ich bin jetzt 63, und je älter ich werde, desto wichtiger wird, dass ich meine Lebenszeit nicht vergeude.

„Arthur & Claire“ handelt vom Sterben, vom Tod. Trotzdem funktioniert es als Komödie?

Eine Tragikomödie, die zentrale Fragen des Lebens behandelt. Gott sei Dank geht es, so wie wir gearbeitet haben, in Richtung Komödie. Nur eben ganz sicher keine Schenkelklopferei, bei der man nicht über das Leben nachzudenken braucht.

Als Charlie-Chaplin-Fanboy faszinierte mich immer diese Spannung zwischen Komödie und den dunklen Seiten des Lebens. Chaplin selbst, wie Michael Köhlmeier im wunderbaren Buch „Zwei Herren am Strand“ ausführt, war immer wieder von schweren Depressionen geplagt.

Mir persönlich sind die dunklen Seiten auch nicht unbekannt. „Arthur & Claire“ erzählt zwei Geschichten: Sie hat ihre ganze Familie bei einem Unfall verloren und fühlt sich schuldig. Er hat Lungenkrebs und weiß, er wird sterben. Qualvoll sterben. Zwei ernste, tragische Geschichten. Aber indem sie sich kennenlernen, können sie Ja zum Leben sagen. Wie ich sagte: Jede menschliche Perspektive erweitert auch die eigene. Ich selbst war in meinen dunklen Phasen froh über Menschen, mit denen ich über alles reden konnte.

Im Stück steht Suizid im Raum. Ein Tabuthema, also reden wir darüber. Meine geringe Erfahrung: Der Kopf sagt 100 Prozent Ja zur Freiheit in dieser persönlichsten Entscheidung. Trotzdem lauerte nach konkreten Tragödien in mir der kleinkariert-egoistische Vorwurf, dass sich diese Menschen aus dem Staub gemacht hätten.

Ich maße mir nicht an, über Entscheidungen zu urteilen. Wie unermesslich groß muss das Leiden sein, dass sie keinen anderen Ausweg finden? Persönlich hatte ich selbst annähernde Erfahrungen, aber der Glaube an einen Ausweg war bei mir immer stärker. Und ich kann sagen, es hat sich immer bewahrheitet. Aber noch einmal: Wie unermesslich groß muss der Druck und das Leid bei denen sein, die keinen Ausweg mehr sehen?

Das andere, Nicht-mehr-ganz-Tabu-Thema im Stück ist Sterbehilfe.

Wenn Klarheit gegeben ist, dass der Rest des Lebens nur unter großem Leid und Schmerz verlaufen kann, verstehe ich Sterbehilfe. Ich bin froh, dass das in Österreich jetzt gesetzlich geregelt ist.

„Claire“ Kristina Sprenger sprach bei der Präsentation vorhin an, dass sich auch durch Corona Gesprächsfronten verhärtet haben. Hilft diese Inszenierung, miteinander zu reden?

Ja. Das Schöne am Stück ist, dass man sich auf unterhaltsame Weise über große Fragen verständigen kann.

Mit Schauspieler FERRY ÖLLINGER sprach Chistian Pichler

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