„Ich würde es wieder wie damals machen“

VALIE EXPORT in Wien geehrt, die Linzer Medien- und Performance-Künstlerin im Gespräch

„Protestaktionen in der Hoffnung, dass sie uns allen helfen“: VALIE EXPORT, vormals Waltraud Lehner
VALIE EXPORT, vormals Waltraud Lehner © Walkobinger

Am Mittwoch bekam VALIE EXPORT in Wien das „Große Silberne Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich“ überreicht.

EXPORT, 1940 in Linz als Waltraud Lehner geboren, gilt als auch international anerkannte Medien- und Performance-Künstlerin. Am Dienstag wurde im VALIE-EXPORT Center in der Linzer Tabakfabrik das Buch „VALIE EXPORT. Arcive Matters. Dokumente lesen und zeigen“ präsentiert.

Interviewanfragen zuhauf, auch das VOLKSBLATT hatte sich mit einem limitierten Zeitfenster zu begnügen. Zum Bedauern des Interviewers, weil sich in ein paar Minuten kaum ein ganzes Leben erzählen lässt. Darauf angesprochen lächelte EXPORT beruhigend: „Sonst häd si des Leben a ned auszoit, wenn´s so schnö erzöht is.“

VOLKSBLATT: 1968 die Aktion „Aus der Mappe der Hundigkeit“, als Sie Peter Weibel an einer Hundeleine durch die Wiener Innenstadt führten. Davor, 1967, haben Sie den Namen Ihres Vaters und Ihres Mannnes abgelegt und nannten sich VALIE EXPORT. Gesten des Protests und der Wut, haben Sie heute in reiferen Jahren einen milderen Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse?

VALIE EXPORT: Natürlich sehe ich das heute noch genauso und würde es wieder wie damals machen. Diese Aktionen waren auch wichtig für meine Entwicklung. Ein Protest gegen die männlich dominierte Umgebung, die männlich dominierte Gesellschaft. Ich hab die Protestaktionen dazumals gemacht in der Hoffnung, dass sie uns allen helfen. Ich sah mich nur als Teil von Bewegungen, die sich auflehnten gegen Nazitum und Teile der Bevölkerung, die dem Nationalsozialistischen noch stark nachhingen. Und in Linz habe ich das stark bemerkt.

In der Antwort waren jetzt zwei große Themen verpackt, die vermutlich zusammenhängen. In Sachen Nationalsozialismus hat die Stadt Linz mindestens eine gute wissenschaftliche Aufarbeitung geleistet.

Ja, diese Zuordnung zu einer Ideologie ist viel geringer als früher. Aber immer noch vorhanden. Das wissen wir durch eine Partei und ihr Parteiprogramm. Und wie sich diese Partei immer wieder öffentlich ausdrückt.

Das andere Thema ist die männliche Dominanz. Jetzt geben sich heute Männer netter und weicher, aber ich trau´ ihnen – mir – noch immer nicht.

Es hat sich gebessert. Aber wir haben bei weitem nicht erreicht, was wir erreichen wollten. Ich predige seit Jahren das Beispiel der vielzitierten Billa-Verkäuferin. Die bekommt heute auch nicht mehr bezahlt, erhält nur ein Trostgeld. Das ist dann auch damit verbunden: Wie viel bekommt sie in der Pension?

Als leuchtendes Beispiel für Chancengleichheit wird oft Angela Merkel angeführt. Eine Frau mit viel Macht eine ziemlich singuläre Erscheinung, zumindest im deutschsprachigen Raum.

Merkel hat ihre Sache gut gemacht. Sie hat viel geleistet, und klar, sie hat´s schwer gehabt. Und sie hat gewisse Sachen im sozialen Bereich auch nicht durchgebracht.

Zurück zu Ihren künstlerischen Anfängen, mit dem „Tapp- und Tastkino“ – Passanten durften Sie durch vor die Brüste montierte Schachteln intim berühren – machten Sie den Voyeurismus im Kinosaal öffentlich. Der Film ist ein wesentliches Medium in Ihrer Arbeit.

Film war neu in der Kunst. Ein bewegtes Bild, losgelöst von der Malerei. Film ist in den Raum, in die Zeit gegangen. Film war das interessante Medium, das man erforschen konnte, in dem man sich anders ausdrücken konnte. Wobei die Malerei ja auch ein aktives Medium ist, durch die Bewegung beim Malen. Im Film hatte man dann den Begriff der Leinwand, auf die etwas projiziert wurde. Man konnte das projizierte Bild auf Zelluloid noch sehen. Beim Video konnte man´s schon nicht mehr sehen. Deshalb hab ich reingeschnitten, und man hat´s gesehen. Bei Computerbildern gibt´s überhaupt keine Zuordnung mehr. 0110… – das kann ein Kochrezept sein oder ein Schützenpanzer.

Tun Sie sich heute künstlerisch das Internet an?

Ich benütze es täglich, aber im produktiven Sinn? Voraussetzung wäre, ich müsste die Programme lernen. So wie ein Maler, der die Ölfarben mischen kann. Es gibt Austauschforen im Internet, da bin ich dabei.

Seit 2017 gibt es das VALIE EXPORT Center hier in der Tabakfabrik. Ein prickelnder Widerspruch tut sich auf: die Vergänglichkeit von aktionistischer, performativer Arbeit und auf der anderen Seite das Bedürfnis, diese Vergänglichkeit festzuhalten. Sind Sie glücklich über das Archiv?

Natürlich bin ich glücklich! Man kann hier meine Arbeit nachvollziehen, die Performance ist noch immer da durch Dokumentationen, Bilder, Texte. Wie der Maler eine Performance macht mit Pinsel und Gestik, und schließlich hat man das Bild.

Kommen Sie gerne zurück nach Linz?

Ich bin sehr glücklich hier, ich bin Linzerin. Man hat natürlich in der Nachkriegszeit viele Einwände gehabt. Die Nachkriegszeit hat relativ lang gedauert in Linz. Als ich heute mit dem Auto hereingefahren bin, die alten Häuser, neue Bauten … Ich sehe Erinnerungen, ich ging so gerne auf den Bauernberg, auf den Freinberg.

Mit VALIE EXPORT sprach Christian Pichler

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