Island: ein T(r)ollhaus?

Uraufführung von „Unter dem Gletscher“ im Musiktheater Linz

Fenja Lukas
Fenja Lukas © R. Winkler

„Unter dem Gletscher“, ein „Musiktheater“ von Michael Obst zu einem Libretto Hermann Schneiders nach dem Roman „Kirche unter dem Gletscher“ (frei übersetzt) des Isländers Halldór Laxness, erlebte am Samstag im Linzer Musiktheater eine durchwachsene Uraufführung. Das mag hauptsächlich an der Dramaturgie des Stückes gelegen haben, die es nicht geschafft hat, einen durchgängigen Spannungsbogen aufzubauen und sich für eine klare Aussage zu entscheiden.

Hauptproblem: Das Werk will alles zugleich sein; vom Stil her „Musiktheater“ und „Opera buffa“ (ein Widerspruch per se), Zivilisations- und Religionskritik, Tragödie und Posse, und musikalisch ein Sammelsurium zwischen Volkslied und Jazz, archaischen Tönen und verschiedenen Pop-Stilen. Im Stückaufbau spielt die Zahl 3 eine zentrale Rolle: Drei Gruppen zu drei Personen bilden das soziale Gerüst des isländischen Dorfes am Fuß des Gletschers ab; drei Figuren (VeBi, der Vertreter des Bischofs; Sira Jon, der Gemeindepfarrer; Dr. Syngmann, Erfinder) tragen im Wesentlichen die Handlung, und drei Rollen (Ua, eine verschollene Frau; die Stimme des Lachses; ein Troll) sind der mystisch — rätselhaften Sphäre zuzurechnen.

Das Finale löst das Rätsel nur oberflächlich

Die Handlung zeigt sich ebenfalls grosso-modo in drei Teilen: Zu Beginn erscheint ein Abgesandter des Bischofs im Dorf, dessen Pfarrer die Kirche zugesperrt hat und stattdessen für die Gemeinde Reparaturdienste leistet. Drei „Hirten“ üben sich in Anspielung an die Hippie-Kultur in fernöstlichen Kulten; die Frauen arbeiten, die Männer quatschen und saufen; der VeBi ist fassungslos.

Im Mittelteil wird ein Fest gefeiert und die Grundkonstellation um die verschollene Frau des verweltlichten Pfarrers sichtbar. Da kommt Spannung und Unterhaltung auf; allein die Party-Szene der drei Herren (Dominik Nekel, Martin Achrainer, Matthäus Schmidlechner) ist köstlich und hätte Szenenapplaus verdient! Das Finale schließlich löst zwar oberflächlich das Rätsel, verliert sich aber quälend lang in einem schwer verständlichen Dreifach-Schluss, an dessen erlösendem, tatsächlichen Ende ein monströser Video-Troll alles und alle zu verschlingen droht.

Vom Verschlungen-Werden durch Ermüdung des Publikums bedroht sind damit auch die sehr beachtlichen Leistungen der Sängerinnen und Sänger, des Dirigenten Ingmar Beck, des ambitionierten Bruckner Orchesters und des ideenreichen Universalausstatters Falko Herold (Bühne, Kostüme, Video). Allen Mitwirkenden, an der Spitze Anna Alas i Jové (VeBi), Michael Wagner (Pfarrer Sira Jon Primus), Gotho Griesmeier (dessen Frau Ua), Hans Schöpflin (Dr. Syngmann), Martin Achrainer (Trucker Alfberg), Vaida Raginskyte (Mutter Jonson) und Peter Fabig (Hirte Saknussem) gebührt pauschal hohe Anerkennung und Respekt für ihren sicher mühevollen und arbeitsreichen Einsatz.

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Musik und Text haben ihre Meriten, werden aber der Fülle ihrer wiederholten Einfälle nicht Herr und damit Opfer von Konturlosigkeit. Die Personalunion von Librettist und Inszenator in Gestalt Hermann Schneiders stand möglicherweise der Komprimierung und Intensivierung der Aussage des dreieinhalb Stunden dauernden Dramas im Weg. Freundlicher Beifall aus nur mehr schütter besetztem Haus für die Dauer des Premieren-Schluss-Rituals.

Von Paul Stepanek

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