John le Carré: Silverview

John Le Carrés posthum veröffentlichtes (angeblich) letztes Buch „Silverview“ ist das, was man von einem Spionageroman des britischen Schriftstellers erwartet: Agenten, die verschleiern, um ihr eigenes Süppchen zu kochen.

Ein würdiges Vermächtnis mit allen Markenzeichen des Autors. Julian, der in der englischen Provinz ein Buchgeschäft eröffnet hat, lernt den kauzigen alten Herren Edward kennen. Gleichzeitig macht sich ein Mann namens Proctor, eine Institution im Geheimdienst Seiner Majestät, auf, um einer Sicherheitslücke nachzugehen. Der Anstoß dazu kam von Deborah, Edwards Frau und einstige Agentengröße, die im Haus „Silverview“ im Sterben liegt.

Wen treiben welche Motive? Le Carré erzeugt mit seinem eleganten Stil und dichten Dialogen eine besondere Atmosphäre. Auch die handelnden Personen sind einmal mehr wunderbar gezeichnet. „Silverview“ behandelt nicht nur politischen Verrat, sondern auch den in der eigenen Familie.

Und er macht Integrität und Desillusion zu zentralen Motiven. Der im Dezember 2020 verstorbene Autor zog noch einmal alle Register seines Könnens und zeigt, wie einschneidende Ereignisse Menschen prägen. Allerdings wirkt das Ende etwas überhastet und unfertig, der ganz große Knall bleibt aus.

Es muss auch nicht immer knallen — Le Carré setzte ohnehin auf Dialoge und Beschreibungen einfacher Gesten und Handlungen statt auf Action à la James Bond. Melancholie, Mysterium, wunderbar in Szene gesetzte typischer Le-Carré-Zutaten und -Sprache machen „Silverview“ zu einem Genuss.

John Le Carré: Silverview. Ullstein Verlag, 256 Seiten, 24,70 Euro

Das könnte Sie auch interessieren