Josef Hader weiß nicht, ob das Ganze Sinn hat

Josef Hader sprach mit dem VOLKSBLATT über Kabarett, Katholizismus und Soziale Marktwirtschaft

„Hader on Ice“, Josef Haders jüngster Streich: Rücksichtslose Selbstentblößung als Tarnung für furiose Zeitkritik. Herbsttermine im Linzer Posthof ausverkauft, Tickets für 18. und 19. 2. 2022.„Ich habe meine Stoffe immer von innen, aus mir heraus entwickelt. Das eigene schlechte Gewissen genügt.“
„Hader on Ice“, Josef Haders jüngster Streich: Rücksichtslose Selbstentblößung als Tarnung für furiose Zeitkritik. Herbsttermine im Linzer Posthof ausverkauft, Tickets für 18. und 19.2.2022. © Lukas Beck

Josef Hader sitzt im Gastgarten des Posthof-Beisls. Ein lauer Spätnachmittag, der 1962 in Waldhausen geborene Hader wird am Abend sein neues Programm „Hader on Ice“ spielen.

Er macht einen entspannten und freundlichen Eindruck. Gelegenheit, mit einer Frage zu starten, die schon seit mehr als 25 Jahren unter den Nägeln brennt.

VOLKSBLATT: Beim „Stoascheißer Koal“-Spiel verliert der, der fragt „Wer?“. Der andere sagt „Da Stoascheißer Koal!“ und hat den ersten „g´schoss´n“. Sie machten den Stoascheißer Koal in „Privat“ 1994 populär. Jetzt bitte nicht schießen: Wer ist der Stoascheißer Koal?

JOSEF HADER: Das war ein Spiel, das damals vorwiegend von Schauspielern und Kabarettisten gespielt wurde, bei „Kottan“-Dreharbeiten und so. Ich hab das Spiel nicht so gern mögen, weil ich so leicht zum Schießen war. Ich hab´s dann aus Rache demokratisiert.

Mit „Privat“ und davor „Im Keller“ 1993 katapultierten Sie sich – sofern Rankings zulässig sind – an die Spitze des österreichischen Kabaretts und lösten mit einen Boom aus. Ich habe beide Programme immer als sehr politisch empfunden, ohne dass dort Politiker vorkämen.

Das ist eigentlich gar nichts Besonderes. Satire muss nicht unbedingt tagespolitisch sein. Wenn man sich den „Herrn Karl“ anschaut oder die Programme von Gerhard Polt, dann ist dort immer etwas, das die jeweilige Zeit und Gesellschaft derwischen möchte. Mein neues Programm „Hader on Ice“ ist auch wieder der Versuch, über eine Figur auf den Wahnsinn der Zeit zu fokussieren.

Wieder mit gnadenloser Selbstdenunziation der Figur Josef Hader?

Ich hab mich vor dem Programm gefragt: Willst du als g´scheiter Hader auf der Bühne stehen und allen erklären, was falsch rennt? Oder zeig ich einen Hader, der alle Blödheiten dieser Zeit in sich vereinigt? Da hab ich nicht lang nachdenken müssen. Zweiteres ist viel lustiger zum Schreiben und auch zum Spielen. Es entspricht auch mehr meiner Lebenshaltung, ich gehe nicht besserwisserisch durch die Welt. Ich bin viel zu beschäftigt mit mir selber, als dass ich die Fehler der anderen suche. Ich habe meine Stoffe immer von innen, aus mir heraus entwickelt. Das eigene schlechte Gewissen genügt.

Das klingt nach Schuld und Erbsünde. Sie wuchsen am elterlichen Bauernhof in Nöchling im schwer katholisch geprägten Waldviertel auf.

Ehrlich gesagt, hab ich das Katholische nie so an mich herangelassen. In religiöser Hinsicht hab ich nie ein schlechtes Gewissen gehabt. Als Kind habe ich selbstverständlich nur das gebeichtet, was ich mir ausgedacht habe. Das andere wär zu arg gewesen. Für mich war sonnenklar, dass ich diesen Übergriff der katholischen Kirche auf mein Privatleben durch Lügen verhindere, und ich hatte dabei nie ein schlechtes Gewissen. Ich hab mir immer gedacht, dass der Herrgott, falls es ihn gibt, sicher viel großzügiger ist als der Pfarrer. Ich war Ministrant, später Organist, seit der Pubertät habe ich aber nix mehr geglaubt. Aber ich habe mir gedacht, das ist ein sinnvoller Verein, sozial engagiert, und bei den Jugendmessen kann man nachher mit den Madln plaudern.

Also kein grundsätzlich schlechtes Gewissen?

Wahrscheinlich war es mehr die Angst vor den Mitmenschen, die mir Probleme bereitet hat. Angst davor, dass mich wer nicht mag, wenn ich irgendwas Falsches mache.

Sie probierten sich dann im Film aus, erlangten als Brenner in den Wolf-Haas-Verfilmungen ab 2000 einen weiteren Popularitätsschub. Woran hängt Ihr Herz mehr, Bühne oder Film?

Das Ursprünglichste und was ich sicher am besten kann, das ist das Solokabarett. Alles andere sind Ausflüge. Ich bin sehr froh darüber, denn durch diese Ausflüge freut mich praktisch immer meine Arbeit. Weil es immer Abwechlsung gibt. Ich schätze das Kabarett auch deswegen, weil ich da ganz unabhängig bin. Beim Film hängst du viel mehr von anderen ab. Das macht mir nix, solang ich mir die Projekte selber aussuchen kann. Aber wenn ich das Kabarett nicht hätte, müsste ich vielleicht wegen des Geldes wo mitspielen, wo ich eigentlich gar nicht mag. Das bleibt mir erspart.

Ihr Debüt als Filmregisseur war 2017 „Wilde Maus“. Ich mochte den Film sehr und nahm die Erkenntnis mit: Es gibt keine glorreichen, ja auch nur halbwegs geradlinigen Biografien. Wir wurschteln uns durchs Leben. Was hatten Sie im Sinn?

HADER: Ich wollte eine Tragödie erzählen, die lächerlich ist, weil sie im urbanen Mittelstand spielt. Ein Milieu, das ich in Wien sehr gut kennengelernt habe. So eine Art lächerliche 1.Welt-Tragödie.

Aber solche Leute haben schon auch Schmerzen und Probleme?

Ja. Aber verglichen mit dem Rest der Welt denkst du dir: Was haben die für Sorgen?

Nach „Wilde Maus“ kehren Sie jetzt wieder zum Kabarett zurück.

Für mich war klar, wenn der Film fertig ist, mache ich wieder ein Programm. Die Zeiten werden immer verrückter, da kriegt man dann immer mehr Lust, sie auf der Bühne zu spiegeln.

Warum verrückter? Wegen Corona?

Das war schon vor Corona. Das hängt mit den Sicherheiten zusammen, mit denen ich aufgewachsen bin. Davon ist vieles zusammengebrochen, es gibt ein neues Umfeld, in dem deine Lebenserfahrungen plötzlich nicht mehr stimmen. Das war ein schleichender Prozess, der in den 1980ern angefangen hat, als der Neoliberalismus erfunden wurde. Heute sind wir so weit, dass überall der untere Mittelstand wegbröckelt. Dass Bildung vererbt wird. Ich würde heute wahrscheinlich nicht mehr studieren, wenn ich auf einem Bauernhof in der gleichen Gegend aufgewachsen wäre.

Der Traum von einigermaßen gleich verteilten Wohlstandschancen ist vorbei?

Das war offenbar nur ein Werbegag nach zwei Weltkriegen. Die Regierenden hatten beschlossen, Geld nach unten sickern zu lassen, damit nie mehr wieder so eine radikale Partei wie die Nazis einen Zulauf kriegt. Die Reichen haben damals ordentlich ihre Steuern gezahlt, für die Ärmeren gab es Aufstiegschancen. Das hieß Soziale Marktwirtschaft.

Die ist gestorben?

Ja. Es stört niemanden mehr, dass die Leute zunehmend verzweifelt werden, zunehmend irrationalen extremen Politikern hinterherlaufen. Das ist denen oben ziemlich wurscht. Weil die Generation, die noch Krieg oder Nachkriegsnot erlebt hat, weggestorben ist. Offenbar ist der Mensch so blöd, dass er nichts dauerhaft lernt aus der Geschichte.

Ist Empörung ein künstlerischer Antrieb?

Ich glaube, mein künstlerischer Hauptantrieb ist, keine andere unangenehme Arbeit machen zu müssen.

Im Ernst?

Wenn die Gesellschaft erlaubt, diese schöne und sinnvolle Arbeit zu machen …

Bled warat ma?

Bled warat ma.

Wollen Sie die Welt verbessern?

Wenn man das will, sollte man nicht in Interviews groß darüber reden.

Was ist der Sinn des Lebens?

Wos … (Hader lacht) Wenn i´s wissat, ich tät´s sagen, ich schwöre. Ich glaube, man kann eigentlich nicht viel mehr machen, als sich die Zeit möglichst gut zu vertreiben. Aber ob das ganze insgesamt einen Sinn hat, das weiß niemand. Ich glaub sogar, ein Papst hat eine kleine Angst davor, wenn er im Sterben liegt, dass das mit der Religion vielleicht doch nur ein Schmäh war.

Über „sich möglichst gut die Zeit vertreiben“ wär wohl ein längeres philosophisches Seminar nötig.

Unbedingt.

Mit JOSEF HADER sprach Christian Pichler

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