„Jugend lebt das Ehrenamt und damit auch Politik“

Landtagspräsident Stanek über Demokratie, Gemeinschaftsregierung und den Wahlkampf in OÖ

Stanek_HEN_2797.jpg
Stanek_HEN_2797.jpg © Land OÖ/Neißl

VOLKSBLATT: Sie sind als längstdienender Abgeordneter seit 1991 im Oö. Landtag vertreten und seit 2020 auch Landtagspräsident. Sie scheinen keineswegs amtsmüde zu sein – was ist Ihre Motivation, sich so lange politisch zu engagieren?

STANEK: Die größte Motivation ist die, dass für mich immer der Mensch im Mittelpunkt steht. Die Tatsache, Menschen helfen zu können, die Tatsache, die Rahmenbedingungen in der Gesellschaft mitgestalten zu können, ist ein ganz starker Motivationspunkt. Und letztlich gibt es auch sehr viel positives Feedback von den Menschen, die sehr wohl Leistungen in der Politik entsprechend anerkennen.

Hat sich in all den Jahren die Politik-Landschaft verändert?

Natürlich hat sich in den letzten 30 Jahren die politische Landschaft – so wie unsere Gesellschaft überhaupt – entsprechend verändert. Was sich glücklicherweise nicht verändert hat ist, dass ich nach wie vor auf Gemeindeebene genauso wie auf Landes- und auf Bundesebene feststelle, dass die allermeisten Menschen, die politisch tätig sind, mit hohem Engagement und mit viel Idealismus dafür arbeiten, dass es den Menschen in Österreich gut geht. Wenn man sich das im internationalen Vergleich anschaut, dann glaube ich kann man sagen, dass das in einem sehr guten Maß auch gelingt.

Ist Streit eine neue Dimension in der politischen Kultur, oder werden die oft deftigen Wortmeldungen überbewertet?

Video
Ich möchte eingebundene Social Media Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

Da muss man sicherlich einmal stark differenzieren zwischen der Bundes- und der Landesebene. Diskussionen wie ich sie teilweise auf Nationalratsebene erlebe, sind schlicht und einfach abzulehnen. Wenn der Eindruck entsteht, dass wirklich der Hass, die persönliche Diffamierung oder das persönliche Schlechtreden im Vordergrund stehen, das hat mit politischer Diskussion überhaupt nichts mehr zu tun. Dass politische Diskussion – und das leben wir in Oberösterreich – durchaus auch etwas mit Streit zu tun haben kann, nämlich so lange man Streit im Sinne von Streitkultur versteht, zu dem stehe ich. Das heißt, dass man hart in der Sache miteinander diskutieren soll, ja muss, dass unterschiedliche Standpunkte auch gegenübergestellt werden und entsprechend akzentuiert abgehandelt werden — und dass die Wertschätzung, der persönliche Respekt und auch die Toleranz dem Andersdenkenden gegenüber gewahrt bleiben.

Sie sind ein Verfechter der Demokratie und werden auch nicht müde, dafür Werbung vor allem bei den jungen Menschen zu machen. Sehen Sie schon einen Erfolg?

Ich glaube, dass junge Menschen grundsätzlich nicht politikverdrossen sind. Ich erlebe in vielen Diskussionen mit jungen Menschen, mit Schülern und Studenten, dass grundsätzlich ein hohes Interesse an Politik da ist – dass aber gerade junge Menschen auch ins Denken kommen und sich kritisch damit auseinandersetzen, wenn sie das Gefühl haben, dass in der Politik nur mehr gestritten wird. Wenn die Leute das Gefühl haben, da wird um die besten Ideen gerungen, dann sind sie nicht nur interessiert, sondern für Politik erreichbar und motivierbar, sich selbst zu engagieren. Das Politikinteresse junger Menschen beginnt, wenn sie sich Gedanken über ihre Zukunft machen.

Was tut OÖ in diesem Bereich konkret?

Natürlich ist bei der Demokratie und beim Zugang am politischen Interesse immer Luft nach oben, daher wollen wir als Oö. Landtag speziell junge Menschen für Politik interessieren. So haben wir heuer die Homepage „Fit fürs Wählen“ gestaltet, bei der in einer sehr jugendspezifischen Art und Weise gezeigt wird, wie die Landespolitik grundsätzlich aufgebaut ist und warum es wichtig ist, wählen zu gehen. Ein weiterer Punkt ist, das hat durch Corona gelitten, die „Werkstatt für Demokratie“: Da kommen viele Schulklassen in den Landtag, erleben vor Ort, wie Demokratie und politische Spielregeln gelebt werden, wie ein Gesetz zustande kommt, welche Bedeutung die so genannte vierte Macht im Staate – nämlich die Medien – hat. Zugleich gibt es die Möglichkeit, mit Abgeordneten aller vier im Landtag vertretenen Parteien zu diskutieren.

Warum ist politisches Interesse eigentlich so wichtig?

Weil es darum geht aufzuzeigen, dass Politik immer die Rahmenbedingungen in der Gesellschaft entsprechend festlegt – und wie dieser Rahmen festgelegt wird, so entwickelt sich ein Land auch entsprechend positiv. In Oberösterreich ist das gerade mit Landeshauptmann Thomas Stelzer in den letzten Jahren in einer hervorragenden Weise gelungen. Gerade OÖ ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern sehr gut durch die Covid-Krise gekommen: Wir haben die besten Arbeitsmarktdaten, die niedrigste Arbeitslosigkeit, bei uns in OÖ sind noch nie so viele Menschen in Beschäftigung gewesen.

Warum engagieren sich so viele Menschen ehrenamtlich?

Viele junge Menschen in OÖ leben das Ehrenamt und damit auch Politik. Ich begrüße es sehr, wenn sich junge Menschen politisch engagieren und sich einbringen. Das hat wiederum sehr viel mit ehrenamtlichem Engagement zu tun. Wenn man sieht, wie toll das Ehrenamt bei uns funktioniert und das international vergleicht, dann sind wir da weltweit ein absolutes Vorzeigeland. So ist es bei uns selbstverständlich, wenn jemand in Not ist, dass er innerhalb kürzester Zeit durch die Freiwillige Feuerwehr oder durch eine Rettungsorganisation höchst professionelle Hilfe bekommt.

Gut einen Monat vor der Landtagswahl in OÖ läuft der Wahlkampf an. Ist es gut, dass dieser eher kurz ist – und wie sehen Sie den Umgang der Parteien untereinander?

Ein absolutes Ja für einen kurzen Wahlkampf, weil die Menschen von der Politik erwarten, dass bis zum letzten Tag – im wahrsten Sinne des Wortes – gearbeitet wird im Interesse der Menschen in Oberösterreich. Und bisher läuft die Wahlauseinandersetzung auf einem durchaus fairen Niveau. Ich hoffe, dass das in den letzten vier Wochen auch so bleiben wird.

In Oberösterreich dauert die Legislaturperiode sechs Jahre statt fünf wie etwa in anderen Bundesländern, ist das ein Vorteil?

Absolut ja, weil einfach konsequent und kontinuierlich über einen bestimmten Zeitraum intensiv für die Interessen der Menschen gearbeitet werden kann. Ich möchte jetzt nicht sagen, es ist mit ein Grund dafür, dass Oberösterreich im Vergleich zu anderen Bundesländern besser dasteht – aber es spricht auch nichts dagegen, bei dieser bewährten sechsjährigen Periode zu bleiben.

In OÖ gibt es nach wie vor eine Proporzregierung, also ohne klassische Opposition – eine gute Entscheidung?

Ich möchte nicht von einer Proporzregierung reden, sondern von einer Gemeinschaftsregierung, bei der alle ab einem bestimmten Kräfteverhältnis im Landtag vertretenen Parteien auch in der Regierung präsent sind. Dadurch wird auf Regierungsebene besser zusammengearbeitet und das kommt den Menschen im Land zugute. OÖ ist bei den verschiedensten Parametern daher auch besser als andere Bundesländer – und wenn ich mir die Vorgänge auf Bundesebene anschaue, dass Oppositionspolitik dort ja ohnedies nur mehr verstanden wird, destruktiv aufzutreten, die Regierenden zu desavouieren und in persönlichen Auseinandersetzungen zu kritisieren, dann frage ich mich, warum eine Koalitionsregierung besser sein sollte als eine Gemeinschaftsregierung. Es zeigt sich ja auch, dass die meisten Menschen in OÖ für diese Regierungsform sind. Um ein Regierungssystem verändern zu können, bräuchte es zudem entsprechende Mehrheiten im Landtag, und die sind derzeit nicht gegeben, weil zum Beispiel die SPÖ und die FPÖ dezidiert gegen eine Auflösung der derzeitigen Regierungsform sind.

Mit Landtagspräsident WOLFGANG STANEK sprach Harald Engelsberger

Das könnte Sie auch interessieren