„Kabarett ist Selbstermächtigung“

Martin Puntigam feiert mit seinem Programm „Glückskatze“ u. a. in Linz 30-jähriges Jubiläum

Hat nicht nur die Glückskatze, sondern auch 30 Jahre Kabaretterfahrung auf dem „Buckel“: der Grazer Martin Puntigam.
Hat nicht nur die Glückskatze, sondern auch 30 Jahre Kabaretterfahrung auf dem „Buckel“: der Grazer Martin Puntigam. © Lukas Beck

Seit 30 Jahren bewährt er sich auf der Kabarettbühne. Dieses Jubiläum und seinen 50. Geburtstag feiert er mit dem neuen Solo-Programm „Glückskatze“ (Posthof, 18.1.).

Martin Puntigam über seine Definition von Glück, seine Rolle bei den Science Busters und warum er jetzt freundlicher zum Publikum ist.

VOLKSBLATT: Muss man eine dreifärbige Glückskatze sein, um nach 30 Bühnenjahren noch genug Einfälle zu haben?

MARTIN PUNTIGAM: Im übertragenen Sinn schon. Nach 30 Jahren wird man halt, wenn man nicht eh schon vollkommen verglatzt und ergraut ist, dreifärbig. Und ich geh’ in meinem neuen Programm von jemandem aus, einer Person wie mir, die das Glück gehabt hat, im 20. Jahrhundert in einem reichen Zwergstaat wie Österreich geboren zu werden, in eine Akademikerfamilie als weißer Mann, das sind viele Privilegien. Das ist die Ausgangslage und die Person wird dann immer unverschämter.

Wie hat es Sie auf die Kabarettbühne verschlagen?

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Kabarett ist einer von den angenehmen Berufen, wo man keine Ausbildung machen kann und auch nicht braucht, das ist eine Selbstermächtigung. Kommt man damit durch, dann gilt’s. Ende der 80er-Jahre haben die heute noch großen Kabarettisten angefangen: Leo Lukas, Gerhard Polt, Josef Hader. Das waren die Einflüsse, wo ich mir gedacht habe: Kabarett muss nicht so konservativ, fad, belehrend und rechthaberisch sein, es kann auch eine tolle Show sein und es kann mit der Gegenwart zu tun haben. Am Anfang waren es Leute, die auf der Bühne was riskiert haben, die ich mir zum Vorbild genommen habe. Die waren natürlich schlau genug, dass sie nicht zu weit gegangen sind. Wenn man das macht, so wie ich dann, hat man es mit dem großen Publikum deutlich schwerer.

Sind Sie noch nervös vor einem Auftritt?

Selten. Als ich jetzt nach sechs Jahren dieses neue Solo herausgebracht habe, und wollte, dass die Premiere gelingt, war ich schon angespannt. Das bin ich immer dann, wenn es ungewöhnlich ist oder ich sehr gut vorbereitet bin. Ist es eng und knapp, habe ich keine Zeit dafür.

Ist „Glückskatze“ ein Best of?

Es sind zwei, drei Remixes von Science Buster-Sachen dabei und vier, fünf alte Witze aus den letzten dreißig Jahren, sonst ist alles neu. Und ich hab‘ versucht, die beiden Welten zu vermählen: Meine Solis waren immer viel drastischer als die Auftritte mit den Science Busters, wo ich quasi der Stellvertreter des Publikums und auf dessen Seite bin. Bei den Soloprogrammen war ich oft das Gegenüber. Zwei Welten, die lange nicht zusammengefunden haben. Menschen, die die Science Busters mögen, haben oft meine Solis gar nicht gemocht und umgekehrt. Jetzt habe ich die Figur biografisch eng an mir geführt und missbrauche die Autorität, die ich mir in 13 Jahren Science Busters als Wissensvermittler aufgebaut habe, schamlos. Ich behaupte einfach Dinge, die so nicht stimmen.

Sie haben in früheren Programmen „Wertvolle Tipps gegen eine grausliche Zukunft“, wie unser damaliger Rezensent schrieb, gegeben. Womit helfen Sie dem Publikum diesmal?

Das ist natürlich der Fluchtpunkt des Programms. In der wissenschaftlichen Besserwisserei, die ich inszeniere, teile ich dem Publikum wie ein geduldiger Nachhilfelehrer, der eh weiß, es hilft nix, sehr freundlich mit, sie sind selber schuld, wenn sie alle nix wissen und sie werden sterben. Das geht dann in eine Erlösungsfantasie über, dass ich bereit bin zu verschwinden, um wiederzukommen. Das ist ein bissl ein Bild der bürgerlichen Gesellschaft, die seit den Terroranschlägen 2001 bereit ist, fast auf alle Errungenschaften der freien Gesellschaft zu verzichten: lieber selber verschwinden, als sich zu verändern oder zu teilen. Das ist die Paraphrase drauf.

Apropos verschwinden: Ihre Kabaretts können so böse sein, dass Besucher in der Pause das Weite suchen. Müssen wir uns fürchten?

Zwanzig Jahre arg sein auf der Kabarettbühne reicht. Ich versuche jetzt, sehr freundlich zu sein. Und es ist mir damit gelungen, dass die Leute bleiben. Ich muss sogar Zugaben spielen, was ich sonst ablehne. Ich schreibe Stücke, die sind geschlossen. Wenn sie funktionieren, macht man das, was man davor gespielt hat, kaputt mit der Zugabe.

Wie sieht es mit Ihrer künftigen TV-Präsenz aus?

Wir verhandeln wegen einer neuen Staffel. Wir haben jetzt 88 Folgen und bräuchten noch eine Staffel, dann hätten wir 100. Das wäre eine schöne Zahl, da kann man ein schönes Fest feiern für die Wissenschaft.

Bei den Science Busters geben Sie den Moderator. Was haben Sie mit der Wissenschaftstruppe dazugelernt?

Nach 13 Jahren Stundenwiederholung ist schon was hängen geblieben. Und die Art zu denken, nämlich wissenschaftlich an die Welt heranzugehen, hat sicher meine Art zu denken, Probleme zu lösen, verändert. Andererseits sind die Wissenschafter, wenn sie nicht eh begabt sind, ziemlich gut worden über die Jahre in Timing, die können selber hervorragend die Geschichten erzählen und Witze machen. Die erzählen auch, dass ihre eigenen Vorträge über die Theaterarbeit deutlich gewonnen haben. Das ist eine ziemlich interessante und fruchtbare Melange.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Der Tourplan ist voll und die Science Busters fangen mit einem Podcast an.

Mit MARTIN PUNTIGAM sprach Melanie Wagenhofer

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