Kein guter Mensch in schlechter Gesellschaft

Farhadis „A Hero“ verhandelt Großes wie Ehre, Schuld und Verantwortung

Rahim (Amir Jadidi) hofft, das Richtige zu tun.
Rahim (Amir Jadidi) hofft, das Richtige zu tun. © Filmladen

Könnte die Dame von der Hilfsorganisation, die Spenden sammelt für Kautionen von zu Tode Verurteilten, für Mitgiften armer Mädchen, nicht der Öffentlichkeit erzählen, Rahim habe von sich aus auf Gelder für ihn zugunsten eines noch ärmeren Teufels verzichtet?

Es wäre nicht ganz die Wahrheit, aber eben doch keine Lüge. Rahims Schicksal ist bestimmt von solchen „Gefälligkeiten“, von kleinen Schwindeleien, von effekthascherischen Videos, die in sozialen Medien verbreitet werden.

Einmal steckt dahinter ein wirklich guter Gedanke, das nächste mal egozentrischer Selbstschutz — ehrlich ist nichts davon. Doch kann man in einer Gesellschaft, die durchzogen ist von Unrecht, ein wahrhaft ehrlicher Mensch sein?

Keine Geschichte hat nur eine Seite

Ein Held ist Rahim für viele Menschen. Während er im Gefängnis schmort, weil er Schulden nicht zurückzahlen kann, passiert ihm ein Wunder: Er kommt in den Besitz einer Handtasche mit Goldmünzen. Er nutzt sie aber nicht zum Ausgleich seiner Schulden, sondern gibt sie zurück. Das Gefängnis, die Medien, seine Familie — alle freuen sich, einen Helden in ihrer Mitte zu haben. Doch bald kommen Zweifel auf an der Geschichte und der Ehre Rahims.

Der iranische Filmemacher Asghar Farhadi, Gewinner zweier Oscars, hat mit „A Hero — Die verlorene Ehre des Herrn Soltani“ eine durch und durch konstruierte Geschichte geschaffen, die einen Mann porträtiert, der wie ein Spielball durch sein Leben schlittert.

Kaum wird er für sein ehrenhaftes Verhalten gefeiert, lässt ihn ein anderer Gefängnisinsasse wissen, dass er eine Haftanstalt lobt, die für den ungerechten Tod so vieler verantwortlich ist. Mit dem Versuch, seine Freundin zu schützen, wird seine Ausweglosigkeit noch größer. Jede Entscheidung führt ins nächste Dilemma. Eine Geschichte hat niemals nur eine Seite, ein Handeln immer auch unbedachte Auswirkungen, ein Mensch ist niemals nur gut oder böse, gibt Farhadi uns mit. Auch ein unnachgiebiger Gläubiger hat überlegte und nachvollziehbare Gründe, Rahim nicht davonkommen zu lassen.

Farhadi packt große Themen wie Ehre, Schuld und Verantwortung in seinem Film an — auf kleinster, ganz individueller Ebene und großer gesellschaftlicher und politischer.

Von Mariella Moshammer

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