Kimberger fordert Sicherheitsphase

Lehrergewerkschafter will auch heuer wieder zu Schulbeginn großflächige Testungen

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© CLV/Harrer

Passend zur Halbzeit der Sommerferien in Oberösterreich spricht das VOLKSBLATT mit den Vertretern aus dem Bildungsbereich über Lehren, die man aus dem vergangenen Schuljahr ziehen muss und mit welchen Gefühl sie auf das bevorstehende Schuljahr blicken. Der Chef der Lehrergewerkschaft Paul Kimberger fordert etwa unbedingt auch heuer eine Sicherheitsphase mit Corona-Tests beim Schulstart.

VOLKSBLATT: Haben Sie sich schon von dem durchaus herausfordernden Schuljahr 2021/22 erholt?

KIMBERGER: Die Herausforderungen sind nicht weniger, sondern mehr geworden: Wir haben neben Corona im Frühling auch viele Flüchtlingskinder aus der Ukraine aufgenommen. Es ist davon auszugehen, dass im Herbst noch mehr kommen, das heißt: Die Herausforderungen werden nicht kleiner. Aber ich habe jetzt eine Woche Urlaub hinter mir, die habe ich sehr genossen.

Mittlerweile haben wir schon das zweite Corona-Schuljahr, vor einem Jahr haben Sie im VOLKSBLATT die Informationspolitik des Ministeriums kritisiert, ist das heuer besser gewesen?

Die ist qualitativ und quantitativ besser geworden. Aber es gibt in manchen Bereichen noch deutlich Luft nach oben, weil die Schulen wegen der vergangenen zwei Jahre massiv überlastet sind – außerhalb der Dinge, für die Lehrerinnen und Lehrer eigentlich da sind: im Bereich der Bürokratie, der Administration und der Verwaltung. Das muss man dringend zurückfahren.

Sie forderten auch, dass Schule krisenrobuster gemacht werden. Ist das gelungen?

Wir haben in den vergangenen zwei Jahren bewiesen, dass wir krisenrobust sind und auch improvisieren können. Die Schulen waren durchgängig offen, auch in den Lockdowns. Und es hat sich sehr schnell herausgestellt, welche Bedeutung Schule in unserer Gesellschaft hat. Allerdings sind die Belastungen sehr hoch, wir haben im vergangenen Schuljahr sehr viel Personalausfälle gehabt. Wir sind über der Belastungsgrenze und müssen aufpassen, dass wir nicht noch mehr Lehrer verlieren – wir brauchen im kommenden Schuljahr dringend Entlastungen statt sinnloser Abfragen, fragwürdiger Innovationen und Projekte …

Haben Sie da ein Beispiel?

Meiner Ansicht nach hätten die Externisten-Prüfungen standardisiert und ausgelagert werden müssen. Das war am Ende des Schuljahres auf Grund der vielen Abmeldungen eine massive Belastung, die man vermeiden hätte können.

Corona wird im kommenden Schuljahr Thema bleiben. Kennen Sie sich mit den derzeitigen Verordnungen aus?

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Es hat aufgrund der neuen Corona-Regeln des Gesundheitsministers bereits viele Fragen von Lehrern und Direktoren aus ganz Österreich gegeben. Ich kann mir etwa nur sehr schwer vorstellen, dass infizierte Schüler oder Lehrerinnen in die Klasse dürfen. Wir brauchen für die Schule Regelungen, die medizinisch nachvollziehbar sind und schulisch umgesetzt werden können. Das, was wir im Moment haben, ist für die Schule nicht brauchbar.

Was wünschen Sie sich zum Schulstart, erneut eine Sicherheitsphase mit Tests?

Ja. Man sollte auf jeden Fall mit Vorsicht ins neue Schuljahr gehen. Zumindest zu Beginn des neuen Schuljahres sollten wir uns einen Überblick darüber verschaffen, wie die Corona-Situation ausschaut. Auch weil Familien und Kinder aus der ganzen Welt vom Urlaub heimkehren. Da gab es in den vergangenen Jahren einige Überraschungen.

Auch die Ukraine-Krise hat Folgen für die Schule. Wie funktioniert der Unterricht dieser Kinder?

Es ist gelungen, die ukrainischen Kinder, die gekommen sind, gut in unser Schulsystem zu integrieren. Das ist auch auf eine hohe Motivation und großes Engagement zurückzuführen, diesen zum Teil schwerst traumatisierten Kindern zu helfen und eine neue Perspektive zu geben. Das geschieht mit sehr vielen Provisorien uns halfen etwa im Moment pensionierte Kolleginnen und Kollegen, diese Herausforderung zu bewältigen.

Die Gewerkschaft hat jahrelang vor einem Lehrermangel gewarnt.

… Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man ja lachen, dass sich jetzt einige überrascht zeigen, dass wir einen Lehrermangel haben. Zu sagen, dass das nicht prognostizierbar gewesen sei, ist absurd. Ich habe nachweislich schon 2008 auf diese Gefahr aufmerksam gemacht. Und wir haben zur demografischen Ausgangslage durch die verlängerte Ausbildungszeit die Lage noch verschärft …

Hoffen auch Sie auf eine Verkürzung der Ausbildung?

Ja. Man sollte vom achtsemestrigen Bachelor sofort auf den sechssemestrigen zurückfahren und wir brauchen dringend mehr Praxisnähe. Meiner Meinung nach sollten die jungen Menschen, die sich für diesen wunderschönen Beruf entscheiden, sofort in die Klassen, damit sie einen Überblick bekommen, was Schule in der Realität bedeutet.

Es gibt zwei neue Pflichtfächer: Digitale Grundbildung und Ethik. Was erwarten Sie sich?

Grundsätzlich sind das gute Initiativen. Ich frage mich nur, wer das unterrichten soll, weil uns die Lehrer ausgehen.

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