Kindern beim Spielen zuschauen

Premiere: Daniel Kehlmanns „Der Mentor“ am Linzer Landestheater

Der erfahrene Dramatiker macht den aufstrebenden junge Schreiber nach allen Regeln der Kunst nieder: Rubin (Sebastian Hufschmidt) und Wegner (Julian Sigl)
Der erfahrene Dramatiker macht den aufstrebenden junge Schreiber nach allen Regeln der Kunst nieder: Rubin (Sebastian Hufschmidt) und Wegner (Julian Sigl) © Petra Moser

Man ist höflich, man ist witzig, man ist devot. Hier geht es schließlich um die hohe Bühnenkunst. Ein Leben nach dem Tod ist möglich: Dereinst mögen pubertierende Gymnasiasten über dem Autorengenie in Form von gelben Reclam-Büchlein brüten. Aber die Höflichkeit währt nicht lange. Martin Wegner, von Kulturschreiberlingen zur „Stimme seiner Generation“ hochgejazzt, erlebt sein persönliches Waterloo. Das „Mentorenprojekt“ einer Kulturstiftung, der alte Dramatikerhase Rubin soll gemeinsam mit dem Jungautor dessen neues Stück (avantgardistischer Titel: „Namenlos“) aufpäppeln. Was tut der Alte? Macht den Jungen nieder nach allen Regeln der Kunst. Begabt wäre Wegner ja, aber muss er ausgerechnet schreiben?

Entzückende Parodie auf Kunst und Kulturbetrieb

Daniel Kehlmanns Stück „Der Mentor“, uraufgeführt 2017, ist eine entzückende Parodie auf Kunst und Kunstbetrieb, auf seine Protagonisten und deren — nur ein Klischee? — atemberaubende Eitelkeit. Ein Spiel mit je eigenem Schein und Sein, souveräne Bloßstellung auch der Bettgenossenschaft von Geld und Kunst. Premiere von „Der Mentor war am Samstag in der Studiobühne des Linzer Landestheaters, die 22-jährige Linzerin Anja Jemc gab ein staunenswertes Regiedebüt. Mit feinem Händchen zerlegt sie den etablierten Theaterbetrieb in seine Bestandteile.

Das gelang auch dank eines Bühnenpersonals, das die Demontage seiner Figuren lustvoll auskostete. An der Spitze Sebastian Hufschmidt als verwitternder Dramatiker Rubin, der seine Umgebung mit immergleichen Vorträgen über schottischen Whisky nervt. Hat er Vergnügen am Spiel mit seiner Ekelhaftigkeit, will er dem Jüngeren die Frau ausspannen? Julian Sigl als Wegner gelingen große komödiantische Momente zwischen Fassungslosigkeit und der Lust, dem Alten an die Gurgel zu gehen. Tippfehler im Manuskript, mehr fällt dem Theaterdino zu Wegners Geniestreich nicht ein?

Bianca Sarah Stummer (Bühne, Kostüme) schuf die passende Umgebung: ein trister wasserloser Swimmingpool, ebenso vergänglich wie der Ruhm der Noch-nicht- oder Leider-nicht-mehr-Großdramatiker. Lorena Emmi Mayer, als Wegners Ehefrau Gina, spielt mit beachtlicher Dezenz die einzige nüchterne Figur inmitten der von ihrer Großartigkeit besoffenen männlichen Egos. Vermittelt diplomatisch, denn Kinder/Männer soll man beim Spielen nicht stören. Klaus Müller-Beck gibt als Stiftungsangestellter Wangenroth eine wunderbar knuddelige Nebenfigur. Sanftes Gemüt und ein verkannter Künstler mit Andy-Warhol-Mähne, sitzt er jetzt fest in einem Job als „Kulturfunktionär“.

Daniel Kehlmann hat mit „Der Mentor“ ein Biotop menschlicher Unzulänglichkeit herausgegriffen. Das kleine Theater die Bühne für die große Welt, der mehr Gelächter über sich oft gut täte. Eine präzis gespielte Komödie, knapp neunzig flotte und sehr unterhaltsame Minuten.

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Von Christian Pichler

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