Klubchef Wöginger: „Keine normale Zusammenarbeit mit Opposition“

ÖVP-Klubchef Wöginger ist mit der Koalition zufrieden — Fokus auf Krisenbewältigung und Pflege

Es sei „vorrangig, die Menschen in Beschäftigung zu bringen und zu halten“, sagt Klubobmann Wöginger, den das Thema auch in seiner Funktion als ÖAAB-Bundesobmann fordert. Hier sei die Arbeitsstiftung ein wichtiger Schritt“, so Wöginger. © APA/Jäger

Lob für die Arbeit in der türkis-grünen Koalition, Kritik an der Opposition: ÖVP-Klubobmann August Wöginger bilanziert im VOLKSBLATT-Gespräch das erste Jahr nach der Nationalratswahl.

Es seien „herausfordernde Zeiten“, sagt er mit Blickwinkel auf die Corona-Pandemie.

VOLKSBLATT: Vor gut einem Jahr wurden bei der Nationalratswahl die politischen Karten neu gemischt. Sind Sie mit dem Ergebnis – nämlich einer türkis-grünen Koalition – immer noch zufrieden?

WÖGINGER: Natürlich. Wir haben gerade in dieser herausfordernden Zeit der Corona-Krise bewiesen, dass wir gut zusammenarbeiten. Ich möchte hier herausstreichen, dass rasch gehandelt und geholfen wurde. Dafür ist der Kinderbonus das allerbeste Beispiel. Obwohl wir ja zwei grundsätzlich unterschiedliche Parteien sind, haben wir in diesem Jahr bislang viel gemeinsam zusammengebracht. Insbesondere die Zusammenarbeit mit der Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer ist eine sehr gute und vertrauensvolle.

Warum hält das Bündnis weitere vier Jahre?

Weil wir in unserem Regierungsprogramm wichtige Projekte festgeschrieben haben, die wir gemeinsam angehen wollen und angehen werden. Hier möchte ich besonders das Thema Pflege betonen. Bereits im nächsten Jahr werden wir die Pflegereform fixieren.

Zuerst das Ibiza-Video, jetzt die Corona-Pandemie: Wie groß ist nach außergewöhnlichen eineinhalb Jahren der Wunsch nach einem normalen Politik-Alltag?

Es sind sehr herausfordernde Zeiten. Wir hätten uns alle nicht vorstellen können, dass unser Leben und somit auch die Politik von derartigen Themen derart massiv beeinflusst werden könnte. Der Wunsch bei mir und der Bundesregierung besteht, dass wir gut aus der Krise kommen. Mit unserem Bundeskanzler Sebastian Kurz sind die Voraussetzungen dafür die allerbesten. Er hat diese Krise bislang vorbildlich gemanagt und war glücklicherweise einer der ersten in Europa, der den Ernst der Lage erkannt hat. Das hat uns ermöglicht, schneller und konsequenter zu handeln, wodurch wir Bilder, wie wir sie in Italien, Spanien und auch Frankreich leider miterleben mussten, vermeiden konnten.

Und wie viel parlamentarische Normalität gibt es mit den Oppositionsparteien?

Da muss ich klar sagen: Es gibt zurzeit leider keine normale Zusammenarbeit mit der Opposition. Vor allem die FPÖ hat sich wohl von den Phantomschmerzen, die Regierungsbeteiligung verspielt zu haben, nicht erholt. Das ist ein Problem. Völliges Unverständnis habe ich für die Corona-Leugnung mancher Kolleginnen und Kollegen der FPÖ – allen voran Klubobmann Herbert Kickl. Diese Art der Politik gefährdet die Gesundheit der Menschen.

Glauben Sie, dass bei der SPÖ der interne Machtkampf schon beendet ist?

Bei der SPÖ ist für mich nach wie vor unklar, wer das Sagen hat. Es fehlt hier eindeutig die Nummer 1. Die aktuelle Frage rund um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria hat wieder einmal klar gezeigt, dass sich die Sozialdemokratie in entscheidenden Fragen uneinig ist. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil konterkariert hier nicht zum ersten Mal seine Parteiobfrau und die Parteifreunde rund um Wiens Bürgermeister Michael Ludwig.

Abgesehen von der Krisen-Bekämpfung liegen andere schwere Brocken an — Stichwort Pflegereform. Läuft hier die Zeit davon?

Bei der Pflegereform tut sich sehr viel. Am 20. Oktober haben wir eine große Auftakt-Veranstaltung. Im Laufe des Jahres 2021 wird die Reform stehen.

Wohin soll die Reise gehen?

Es gibt hier fünf Grundprinzipien: 1. Daheim vor stationär, 2. Unterstützung pflegender Angehöriger, 3. Personaloffensive, 4. Deregulierung und Digitalisierung, 5. Finanzierung zur Absicherung der Zukunft.

IHS-Chef Martin Kocher sagt, es müsse eine Pensionsreform geben, weil der Druck auf die Finanzierbarkeit steige. Was antwortet der ÖVP-Sozialsprecher?

Wir sind damit beschäftigt, bestmöglich aus der Corona-Krise zu kommen. Was ansteht ist, die Menschen in Beschäftigung zu bringen und zu halten. Das ist vorrangig. Das ist die Herausforderung der Gegenwart und der nahen Zukunft. Das wird auch Herr Kocher wissen.

Die Corona-Krise hat dem Credo einer ausgeglichenen Haushaltspolitik den Garaus gemacht, doch auch das „Koste es, was es wolle“ muss am Ende bezahlt werden.

Natürlich. Aber wer rasch hilft, hilft doppelt. Wir haben gesehen, wie wichtig die rasche Hilfe war. Für die Bundesregierung war und ist es wichtig, niemanden in dieser schwierigen Zeit zurückzulassen.

Als ÖAAB-Chef müssen Ihnen die aktuellen wie die prognostizierten Arbeitslosenzahlen ziemliche Sorgen bereiten. Wie kann man helfen?

Das stimmt. Das Thema Beschäftigung ist neben der Pflege jenes Thema, das mich besonders beschäftigt. Die Arbeitsstiftung ist bereits ein wichtiger Schritt. Hier geht es um Qualifizierung und Umschulung. 100.000 Menschen werden davon profitieren. Wenn sich arbeitslose Menschen dazu entscheiden, eine Pflegeausbildung zu beginnen, profitieren wir doppelt. Hier möchte ich auch die Pflegelehre erwähnen, die uns besonders wichtig ist.

In OÖ geben Sie die ÖAAB-Führung an Christine Haberlander ab — warum?

Es freut mich wirklich außerordentlich, dass Christine Haberlander die Führung des ÖAAB-OÖ übernehmen wird. Sie ist die Richtige! Nun, ich bin Klubobmann und Sozialsprecher und ÖAAB-Bundesobmann. Außerdem noch Bezirksparteiobmann in Schärding und bin dabei voll ausgelastet. Mit Haberlander ist der ÖAAB in OÖ in sehr guten Händen!

In einem Jahr ist Landtagswahl. Soll die OÖVP weiter mit der FPÖ eine Koalition bilden?

Wie heißt es so schön: Erst wird gewählt, dann gezählt und dann werden die nächsten Schritte fixiert. Fakt ist: Wer die ÖVP will, muss die ÖVP wählen. Wir sind mit unserem Landeshauptmann Thomas Stelzer ausgezeichnet aufgestellt. Was zählt ist, dass die ÖVP weiter so gut wie bisher für das Land arbeiten kann.

Können Sie sich eigentlich vorstellen, nach dieser Wahl in die Landespolitik zu wechseln?

Ich bin sehr gerne Klubobmann und denke, in dieser Position meine Erfüllung gefunden zu haben.

Regionalität beim Einkauf hat in der Krise neue Bedeutung bekommen. Wo sind Sie regionaler geworden?

Wir kaufen schon seit jeher daheim im Ort und in der Region ein. Ich mag die Innviertler Produkte und bin stolz darauf, was wir in meiner Heimat alles haben. Die Produktvielfalt der regionalen Produzenten ist äußerst beachtlich. Daher fällt es mir und meiner Familie nicht schwer, regionale Produkte einzukaufen.

Mit ÖVP-Klubobmann AUGUST WÖGINGER sprach Markus Ebert

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