Kollaps des Gesundheitssystems verhindern

Bundeskanzler Kurz hält zweiten Lockdown für unbedingt notwendig

Bundeskanzler Sebastian Kurz © APA/BKA/Melicharek

Der von der Bundesregierung im Kampf gegen das Coronavirus verordnete zweite Lockdown sei „notwendig“, betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei der Pressekonferenz der Regierungsspitze am Samstag.

Das Maßnahmenpaket, das am Dienstag in Kraft tritt, soll angesichts zuletzt rasant steigender Infektionszahlen den Kollaps des Gesundheitssystems und die drohende Überlastung der Spitäler, vor allem im intensivmedizinischen Bereich, verhindern.

Unpopuläre Maßnahmen, um Zahlen zu senken

Es handle sich „um dramatische Eingriffe in unser gesellschaftliches Leben. Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Aber sie ist notwendig“, warb Kurz um Verständnis für die — wie er einräumte — „unpopulären Maßnahmen, um die Zahlen nach unten zu drücken“.

Im Vergleich zum Lockdown im Frühling gilt diesmal sogar zwischen 20 und 6 Uhr eine — vorerst bis 12. November befristete — Ausgangsbeschränkung. Die Wohnung darf dann nur mehr von Berufs wegen, zur Deckung notwendiger Grundbedürfnisse (etwa Einkäufe), zur Betreuung und Pflege Hilfsbedürftiger und zur Erfüllung familiärer Pflichten, zur Abwehr von Gefahr für Leib, Leben und Eigentum sowie zur körperlichen und psychischen Erholung verlassen werden — wenn’s einem nicht gut geht, die Decke auf den Kopf zu fallen droht und man einfach raus muss“, wie es Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) formulierte. Als zulässig gelten Spaziergänge, Joggen oder Gassi gehen mit dem Hund. Anzeigen werde es laut Nehammer dann geben, wenn die Polizei nach 20 Uhr eine Gruppe Jugendlicher mit Alkohol antrifft, dann werde auch das Treffen aufgelöst.

Bei Fehlverhalten darf die Polizei eingreifen

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Wie Nehammer ankündigte, erarbeiten der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit sowie die Landespolizeidirektionen „ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Kontrolle“, um zu gewährleisten, dass die Regeln eingehalten werden. Beobachte ein Polizist im Streifendienst mit eigenen Augen ein Fehlverhalten, „ist er befugt einzugreifen“, sagte der Innenminister. In anderen Fällen sei eine Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden erforderlich.

Bald wieder Lockerungen, wenn alle mitmachen

Sollte das Maßnahmenpaket wirken und die Bevölkerung mitmachen, geht der Bundeskanzler davon aus, dass im Dezember „erste Öffnungsschritte“ gesetzt werden können, „um zu einem halbwegs normalen Leben zurückzukehren“. Bei einem „ähnlichen Erfolg, wie wir ihn im ersten Lockdown hatten“ könne man dann wieder an Skifahren — wenn auch mit Abstrichen — denken. Kurz zeigte sich zuversichtlich, dass ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 in Sicht ist und „spätestens nächsten Sommer die gewohnte Normalität“ winkt. Essenziell sei es, „dass wir mit dem Paket gut durch den November kommen“, um einen „deutlichen Abfall“ der Infektionszahlen zu erreichen, betonte der Kanzler. Mit einer Trendumkehr rechne er „frühestens in sieben bis 14 Tagen“. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, „sind wir mit einer schwierigen Situation konfrontiert“, räumte Kurz ein.

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Ein Nachschärfen der Maßnahmen, deren Wirksamkeit wöchentlich evaluiert werden soll, sei dann möglich. Dabei dürfte ein Schließen der Kindergärten und Pflichtschulen bzw. ein Umstellen auf Distance Learning angedacht sein. Diese Einrichtungen bleiben im Unterschied zu den Oberstufen und den Fachhochschulen und Universitäten, die auf Distance Learning umstellen, offen.

Jeder zweite Österreicher sah Kurz-Rede im TV

„Leisten wir alle unseren Beitrag. Damit die Republik Österreich und somit wir alle gut durch diese Krise kommen“, appellierte Bundeskanzler Kurz Samstagabend noch einmal in einer Fernseh-Ansprache. Nach Verkündung des zweiten Corona-Lockdowns erklärte er via TV, warum jetzt wieder so drastische Maßnahmen ergriffen werden — und um alle zu „bitten“, soziale Kontakte zu reduzieren und Abstand zu halten. Seine ORF-Rede verfolgten um 20 Uhr im Schnitt 1,6 Millionen Zuseher bei 51 Prozent Marktanteil.