„Krimis zu schreiben ist wie Sudokus lösen“

Die Oberösterreicherin Sarah Wassermair (33) schrieb das Drehbuch für neuen ORF-Landkrimi

Versierte Drehbuchautorin: SarahWassermair
Versierte Drehbuchautorin: Sarah Wassermair © Otto Saxinger

Sie ist zwar erst 33, aber schon eine versierte Drehbuchautorin, deren Bücher vielfach verfilmt wurden. Heute (20.15 Uhr, ORF1) steht ihr spannender ORF-Landkrimi „Flammenmädchen“ auf dem Programm. Die gebürtige Aschacherin Sarah Wassermair über die Freiwillige Feuerwehr, Christine Nöstlinger und seltsame Lesegewohnheiten.

VOLKSBLATT: Wie sind Sie Drehbuchautorin geworden?

SARAH WASSERMAIR: Auf die Idee kam mein bester Freund, den ich kurz vor der Matura angejammert habe, dass ich unbedingt etwas mit Schreiben machen möchte, aber nicht wüsste, was. Er hat eine Nachtschicht eingelegt und mir eine Liste geschrieben, wo man das machen kann, sortiert nach fünf verschiedenen Gesichtspunkten. Daraufhin bin ich nach Wien und hab´ Drehbuch studiert.

Sie stammen aus Aschach an der Donau. Trifft man Sie dort manchmal an?

Natürlich! Meine Eltern wären beleidigt, wenn ich nie kommen würde und unsere beiden Kater erst recht.

In „Flammenmädchen“ geht es um eine Serie von Brandanschlägen. Auch Themen wie Bodenverlust durch den Bau von Supermärkten kommen vor. Wie finden Sie Ihre Stoffe?

Ich lese sehr viele sehr seltsame Dinge und warte, bis irgendetwas klick macht. Dazu gehört auch viel forensische Literatur, die ertrage ich meist aber nur einen Monat im Jahr, weil ich danach dann zwei Monate lang einen Grant auf die Welt habe. Für „Flammenmädchen“ hatte ich zuerst ein Bild von einem Mädchen, das auf einem Hügel steht und ein Feuer beobachtet. Ein jugendlicher Brandstifter ist etwas völlig anderes als der herkömmliche Pyromane, da steckt psychologisch etwas ganz Anderes dahinter. Da geht es um Gesehen-werden-wollen, um Zorn, um sehr, sehr klare Emotionen. Das wollte ich tiefer erforschen.

Die Darstellungen im Film wirken sehr authentisch, die Freiwillige Feuerwehr, die Dorfgemeinschaft etc.. Hat Ihnen Ihre Herkunft dabei geholfen?

Ja, natürlich. Was dieses „Biotop“ angeht, war das sehr, sehr hilfreich. Ansonsten war das bisher mein rechercheintensivstes Buch: Der Aschacher Feuerwehrkommandant war so nett, mich ausführlich zu beraten. Und ich habe u.a. mit dem Chef der Wiener Brandermittler, mit einem Notarzt, mit Kinderpsychologen, mit einem forensischen Chemiker gesprochen. Ich bin sehr lang herumgelaufen und Leuten auf die Nerven gegangen. Und zu Sachen wie der Gschäftlmacherei am Land: Meine Mutter und mein Bruder sind im Gemeinderat, da kriege ich immer mit, was läuft. Ich bin gar nicht in der Lage, ohne politische Seitenhiebe zu schreiben.

Für den Landkrimi haben Sie sich mit dem Kommissar und der Polizistin, die von Manuel Rubey und Stefanie Reinsperger gespielt werden, auseinandersetzen müssen. Was sind das für Charaktere?

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Was ich an den beiden so mag, ist, dass sie einen Grundanstand haben. Beide sind auf ihre Art kaputte Kinder, die nicht ungeschoren aus ihrer Jugend am Land herausgekommen sind, bemühen sich aber unglaublich, mit großem Anstand auf die Welt zuzugehen. Solche Figuren sind ein Geschenk.

Sie haben eine Reihe weiterer großartiger authentischer Figuren geschaffen. Gab es da echte Vorlagen?

Es gibt eine Figur, die nach jemandem benannt ist, der mir bei der Recherche geholfen hat. Er ist allerdings in Wirklichkeit sehr viel weniger mörderisch unterwegs und sehr viel sympathischer … Ansonsten sind die meisten Figuren Konglomerate aus diversen Beobachtungen. Ich kenne natürlich diese Stammtischdynamik, wie da geredet wird. Die Inszenierung und die Darsteller bringen noch einmal neue Aspekte hinein. Die Figuren sind am Ende des Tages ein Gemeinschaftswerk.

Haben Sie das Ergebnis schon gesehen?

Ja, ich kriege von den Filmen immer einen Link und dann setze ich mich mit einem Glas Portwein hin und schau mir das an, was sie da gemacht haben.

Wie schwierig ist es, seine Geschichten von anderen umgesetzt zu erleben?

Das kann alles auf einer Skala von 1 bis 10 sein. In diesem Fall bin ich sehr, sehr glücklich damit. Wir hatten eine großartige Regie, großartige Darsteller. Es gab natürlich auch schon Gelegenheiten, wo ich den fertigen Film gesehen habe und mir gedacht habe: Ok, jetzt brauch ich ein zweites Glas Portwein.

Welche Rolle spielt die Umgebung in den Landkrimis, hier der Salzburger Pongau?

Eine große. Österreich ist ein Land von einer großen harschen Schönheit. Ich finde den Kontrast, wie schön die Landschaft und wie hässlich die Orte teilweise sind, faszinierend. Im Film wird das Eingesperrtsein des Mädchens mit der Landschaft erzählt, mit den Schluchten, den Bergen. Da ist dieses Nichtauskommen und gleichzeitig ist diese genuine Schönheit da, die die Landschaft hat. Die ist immer auch ein Erzählelement.

Würde Sie ein oö. Landkrimi auch einmal reizen?

Theoretisch ja, aber die Kollegen, die die oö. Landkrimis machen, sind so gut, warum sollte ich denen den Job wegnehmen? Ich würde mir das auch sehr genau überlegen, weil ich Oberösterreich sehr liebe. Und: Wenn ich im Pongau einen Blödsinn schreibe, erwischen mich die Leute weniger schnell …

Sie haben bisher fürs Fernsehen vorwiegend Krimis geschrieben, feierten erste Erfolge mit der „Janus“-Reihe, dann kamen 14 „Soko Donau“-Folgen, jetzt die Landkrimis. Ihr liebstes Genre?

Mein liebstes Genre ist immer dort, wo ich etwas möglichst Seltsames machen kann. Und ich mag Krimis. Krimis zu schreiben ist wie Sudokus lösen. Ich mag die intellektuelle Herausforderung, einen Fall so zu konstruieren, dass er ein Rätsel ist. Und Krimis waren einfach das Format, das sich angeboten hat.

Eine bedeutende Ausnahme gibt es schon: die Drehbücher zur „Franz“-Reihe nach Christine Nöstlinger. Haben Sie die Geschichten schon als Kind gelesen und gemocht? Wie geht man an so eine literarische Vorlage heran?

Mit Riesenrespekt. Ich habe die tatsächlich als Kind geliebt und, als der Anruf kam, sofort gesagt: ,Ich mach das.´ Und dann hatte ich wochenlang Albträume, dass ich dem nicht gerecht werden könnte. Frau Nöstlinger ist mir im Traum erschienen und hat mich angeschrien.

In Ihrem Landkrimi steckt viel wirklich guter Humor, zum Beispiel eine Pubdiskussion mit Rockern über die Liebe. Würde Sie auch eine Komödie einmal reizen?

Absolut, Komödien sind die große Schule. Beim richtigen Stoff sage ich nicht nein.

Wäre Corona auch ein Thema für einen Krimi?

Es wird sicher mitschwingen in den Büchern, weil Corona halt unsere Welt prägt. Ich habe tatsächlich zwei Jahre vor Corona damit verbracht, für eine Serie über eine Seuche zu recherchieren und zu arbeiten, und dann kam Corona und irgendwie habe ich jetzt keine Lust mehr.

Interview: Melanie Wagenhofer

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