Abschied von „Vera“

Vera Russwurm über die letzte Ausgabe von „Vera“, Familien- und Eheglück und ihre Pläne für die Zukunft

Seit 1978 gehört sie zu den bekannten Gesichtern im heimischen TV, seit 1995 vertrauen sich Menschen ihr in ihrer eigenen Talk-Show „Vera“ an: Am 1. Dezember (20.15 Uhr, ORF 2) feiert Vera Russwurm mit einer „Jubiläumssendung“ Abschied von ihrem Erfolgsformat.

VOLKSBLATT: „Vera“ zählt zu den am längsten ausgestrahlten und erfolgreichsten ORF-Formaten. Ihr Erfolgsgeheimnis?

VERA RUSSWURM: Zum einen ist es das Konzept der Sendung, weil Lebenswege von Menschen bewegen. Und das Zweite ist, dass es mich wirklich interessiert. Jemand, der einen Talkmaster spielt, ohne es wirklich zu empfinden, kann nicht so lange erfolgreich sein. Ein Gegenüber öffnet sich dann, wenn er oder sie das Gefühl hat, der andere hört wirklich hin. Und die Sendung heißt ja auch Talkshow, es kommt damit eine künstlerische Komponente hinzu: Es wird getanzt, gesungen, rezitiert.

Ein Oberösterreicher sammelt TV-Magazine und hat entdeckt, dass Sie zwischen 1998 und 2012 die am häufigsten auf dem Cover abgebildete Person in Österreich waren. Daran lässt sich wohl auch Ihr Stellenwert im heimischen Fernsehen messen. Wie sehen Sie selbst Ihre Bedeutung?

Insoferne schon sehr hoch, weil ich das Glück hatte, in einer Zeit groß zu werden, als das Fernsehen groß war. Das passierte nicht allein nur durch Talent und Fleiß, sondern es ist auch das Verdienst der Zeit, wofür ich sehr, sehr dankbar bin. In den 80ern gab es Sendungen, die richtige Straßenfeger waren wie „Einer wird gewinnen“, wo die ganze Nation vorm Fernseher saß. Und ich war von Anfang an in so einer Hauptabendsendung drin.

Das war der Grund, warum ich innerhalb eines Jahres schon diesen enormen Bekanntheitsgrad bekommen habe. Und dann war es schon mein Verdienst, dass ich bei Castings einfach reüssiert habe. Jetzt, wo ich bekannt gegeben habe, dass ich mit der wöchentlichen Talkshow aufhöre — das heißt ja gar nicht, mit Fernsehen generell —, sagen viele Leute, auch Jüngere: „Ich bin mit Ihnen aufgewachsen!“ oder „Schon als Kind hab ich mir das und das angeschaut.“ Das hat mich schon sehr gerührt.

Welche Begegnung, welches Gespräch in Ihrer Sendung zählt rückblickend zu den berührendsten?

Es sind ja wirklich tausende Sendungen und tausende Gespräche und Geschichten. Das ist sehr schwierig. Ich möchte auch niemanden „vorreihen“. Überhaupt keine Frage, dass internationale Stars immer etwas Besonderes sind und da gab es wirklich viele. Gorbatschow war zum Beispiel da, das war sehr beeindruckend. Es gibt auch viele Geschichten, die mich sehr beeindruckt haben, zum Beispiel eine aus Salzburg: Eine Mutter hat ihr Kind durch einen alkoholisierten Autolenker verloren. Und sie wollte diesem sinnlosen, unnötigen Tod einen Sinn geben und hat eine Riesenkampagne gestartet. So etwas finde ich enorm beeindruckend.

Was betrachten Sie als Ihre größten Erfolge?

Das Gespräch mit den Eltern und dem Bruder des Briefbombers Franz Fuchs war für mich einer der großen Erfolge, so wie der Leukämie-Kranke, dem wir zu einer Knochenmarksspende verholfen haben. Die armen Eltern von Fuchs, die keine Ahnung hatten, was ihr Sohn da macht, der Bruder, der gesagt hat, dass Franz immer ein Einzelgänger war. Diese Belastung, unter der die Familie gelitten hat, muss man sich einmal vorstellen. Bei uns in der Sendung hatten sie die Möglichkeit, Opfer um Vergebung zu bitten und die haben sie umarmt. Ich meine, besser kann es nicht gehen.

Gibt es jemanden, den Sie noch gerne als Gesprächspartner gehabt hätten?

Ich hätte gern Hillary Clinton gehabt zu der Zeit, als das Verhältnis von Monica Lewinsky mit ihrem Mann ans Tageslicht gekommen war. Wie lebt man mit so einer öffentlichen Demütigung weiter? Ich habe es aber nie probiert. Wir hatten ja Monica Lewinsky über Live-Schaltung. Das war ein Riesenthema, weil Clinton ja die Nation belogen hatte. Realistisch probiert und nicht gelungen ist ein Gespräch mit Königin Silvia von Schweden. Aber ich hatte Königin Rania von Jordanien, auch sehr schön, eine sehr coole Frau.

Hätten Sie am Beginn bei „Tritsch Tratsch“ oder „Okay“ geglaubt, eine so lange Karriere vor sich zu haben?

Nein, ich habe damals überhaupt nicht an irgendeine Karriere geglaubt und sie auch nicht erhofft. Mein Ziel war, Ärztin zu werden. Fernsehen und Radio habe ich für einen lustigen, spannenden Job gehalten, der aber in meiner Wahrnehmung als Moderatorin kein Beruf war. Diesen Beruf gab es damals gar nicht — es gab Showmaster, Fernsehansager, aber als Jungmoderatorin war ich in Österreich absolut die erste.

Ich habe weiter brav studiert, sogar dann noch, als ich meine erste Hauptabendsendung „Hallo Fernsehen“ gemacht habe. Schon davor hatte sich Ö3 gemeldet. 1984 kam Hans Dichand, der Krone-Eigentümer, und hat mich zu seiner Zeitung geholt, wo ich dann das Jugendressort geleitet habe. Und dann hab ich mir gedacht: Eigentlich scheint mir diese mehrfache „Medialität“ wirklich zu liegen. Im Studium war ich durch das viele Arbeiten natürlich langsamer und habe dann entschieden: Wenn ich die riesige Prüfung „Pathologie“ schaffe, dann studiere ich fertig. Ich hab´s riskiert und bin mit relativ wenig Wissen zur Prüfung gegangen, hatte einen sehr netten Professor und habe es geschafft — und fertig studiert.

Hat Ihnen das abgeschlossene Studium Vorteile gebracht?

Es hat vor allem meinem Standing im ORF etwas gebracht. Die Leute vom Aktuellen Dienst, auch von der Kultur — das würden sie nie zugeben —, aber die Wahrheit ist es ja, dass die ein bisschen naserümpfend auf die Leute von der Unterhaltung schauen und Entertainment zählt halt auch dazu. Das ist mir als Dr. med. erspart geblieben, ich wurde ernst genommen.

Zuhause werden Ihnen Ihre Medizinkenntnisse auch geholfen haben…

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Ich war zwar mit meinem Studium fertig, aber mir fehlte die Praxis. Man hat aber alle möglichen Krankheiten, die man gelernt hat, noch frisch im Kopf, was es alles für furchtbare Dinge gibt und ich war mit meinen Kindern sicher öfter bei unserer Kinderärztin als andere Eltern…

Sie sind seit 1984 mit Peter Hofbauer verheiratet, den Sie bei „Okay“ kennengelernt haben. Was ist das Geheimnis Ihrer Beziehung?

Es gibt kein Geheimnis, es gibt einfach nur die Art, wie man lebt, mit Ärgernissen umgeht, dass man sehr viel lacht, lieber lacht, als die beleidigte Nocken zu spielen. Und dass man tolerant ist und sich gegenseitig Freiheiten gibt.

Wie stolz sind Sie auf Ihre Töchter?

Ich bin sehr stolz auf alle, alle drei sind gesund, Gott sei Dank. Meine Älteste hat mich schon zur Oma gemacht. Die Mittlere hat die Filmakademie absolviert, einen Amerikaner geheiratet und lebt jetzt sehr glücklich in Kalifornien. Die Älteste ist Anwältin und die Jüngste wird jetzt fertig mit dem Medizinstudium.

Ein politischer Weg stand immer wieder einmal im Raum. Könnten Sie sich vorstellen, diesen jetzt einzuschlagen?

Nein, da hätte ich ja auch gleich meine wöchentliche Talkshow weitermachen können, Politik bedeutet ja auch einen Rundumjob. Das lass´ ich jetzt lieber bleiben. Es gibt so etwas wie Lebensplanung, ich bin 64, mein Mann ist 77, man muss schon auch in diesen Lebensabschnitten denken. Ich möchte aber nach wie vor mit Fernsehen weitermachen. Im Moment bin ich mit meiner Jubiläumsgala „Live is Life. 30 Jahre Talkshow“ beschäftigt. Darauf freue ich mich, es kommen viele prominente Gäste – sowohl im Publikum als auch zum Talk, wie Stefan Ruzowitzky, Andreas Gabalier. Es wird eine schöne runde Sache, denke ich, natürlich auch mit Rückblicken auf besondere Geschichten.

Welche Pläne haben Sie?

Der nächste konkrete Plan ist, im Jänner oder Februar mit meiner jüngsten Tochter nach Australien zu fliegen, die macht dort ein Praktikum. Da werden wir auch dann ein bisschen herumreisen. Das ist für mich neu — sonst konnte ich nie zu dieser Zeit reisen. Mein Mann macht ja voller Energie weiter, aber jetzt kann ich mich nach ihm richten und wir haben auch ein bisschen mehr Zeit miteinander und mehr Zeit für unsere Enkeltochter.

Schwingt ein wenig Wehmut mit, wenn Sie an Ihre letzte Sendung denken?

Nein, gar nicht, ich freu mich total darauf, vor allem auch auf die Show mit Publikum. Die Wehmut wird sich vielleicht nächstes Jahr einstellen, der Druck wird mir irgendwann schon einmal abgehen, oder wenn ich etwas Interessantes lese oder sehe, wird meine Reaktion immer wieder sein: „Mah, das ist eine gute G´schicht, schauen wir, ob wir die kriegen!“ Ich bin nicht melancholisch, sondern voller Vorfreude. Interesse und Lust an meinem Tun hab´ ich nicht verloren, ich bin künftig nur freier in meiner Zeitgestaltung.

Mit VERA RUSSWURM sprach Melanie Wagenhofer

Die mobile Version verlassen