Alle machen, was sie wollen, und dies zugleich

Musiktheater: OÖ Opernstudio lässt sich erfolgreich auf John Cage ein

Spannendes experimentelles Gesangstheater, bei dem die jungen Talente des OÖ Opernstudios alles geben.
Spannendes experimentelles Gesangstheater, bei dem die jungen Talente des OÖ Opernstudios alles geben. © Petra Moser

Das Premierenpublikum am Freitag in der Blackbox des Linzer Musiktheaters sollte unterhalten werden, aber es staunte mehr darüber, was man alles mit Oper machen kann. US-Komponist John Cage (1912-1992) konnte es sich leisten, sich über das kulturell wertvolle Genre Oper lustig zu machen. Würde er nicht mit seinen bahnbrechenden Aktivitäten für die Entwicklung der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts so große Bedeutung erlangt haben, müsste man ihn, bei allem Respekt, ablehnen. Immerhin hat Cage die Musikwelt von der traditionellen Pflege der Oper wachgerüttelt, alle möglichen und unmöglichen Klangerzeugungen im Alltag ausprobiert.

Geniale Begegnung mit Oper

In unseren Breitengraden zählen seine Werke nicht unbedingt zu den Kassenschlagern. Mit der Premiere von „Europaras 3 & 4“ am Freitag wird so etwas wie ein Nachholbedarf gedeckt (coronabedingt wird die Aufführung leider gleich wieder in eine Pause geschickt). Der Weisheit letzter Schluss: Man muss John Cage nicht unbedingt mögen, aber eine exzentrische Persönlichkeit mit der seltenen Auffassung akzeptieren, dass Musik mehr über den Schöpfungsprozess aussagt als das fertige Werk. So zählt weniger der Klang der Musik als das Aufbrechen von Hörgewohnheiten. Das Komponieren soll nach Cage dem Zufall überlassen sein. Beeinflusst wurde diese Schaffensweise durch den Zen-Buddhismus und dem diesem entsprechenden philosophischen Denken.

Relativ spät, nämlich in den Jahren 1987 bis 1990, entdeckte der Schönberg-Schüler Cage die Oper und blieb dabei stets der geniale Erfinder. Genial nimmt sich auch seine „Europares“-Reihe aus, ein Auftrag zur Auseinandersetzung eben mit der Oper, was Cage „kompliziert“ fand. Schelmisch nahm er das Angebot an und erfand sogar, dass bald die Frankfurter Oper abbrennen werde. Ein Racheakt oder Hassliebe zu dem Genre? Dass Opernhäuser angezündet gehören, hat schon ein anderer Komponist wahrhaben wollen. Was für ein Unsinn!

Große Opernstimmen gepaart mit Kreativität

Das Opernstudio nahm sich der Performance „Europaras 3 & 4“ mit dem Aufgebot großer Opernstimmen an und entwickelt so viel Kreativität und Freude an den gesungenen und gespielten Verrücktheiten, dass man ihnen das experimentelle Theater von zwei Stunden aufmerksam abnahm. Alles geschieht natürlich rein zufällig nach dem Prinzip eines chinesischen Orakelbuchs. Arien aus dem Grammofon (bedient von Uschi Glas und Chiara Ebner) vermischen sich mit den acht Naturstimmen von Hanyi Jang, Lenka Jombiková, Jena Markovic, Tina Josephine Jaeger, Michael Daub, Grégoire Delamare, Peter Fabig und Navid Taheri. Am Piano beklopfen die Tasten gekonnt Elias Gillesberger und Andrea Szewieczek, alles unter der Leitung von Gregor Horres auf der von Jan Bammes ausgestatteten Bühne. Alle machen, was sie wollen und dies zugleich: wechseln die Kostüme nach Belieben, singen, tanzen, springen, laufen, tragen Versatzstücke herum (Johannes´ Kopf aus „Salome“).

Die Zerlegung einer Oper in ihre Einzelteile ergibt eine faszinierende Geräuschkulisse oder Musik (?), bei der man sich in einem Irrenhaus zu befinden wähnt. Cage nennt sein Werk einen „Zirkus“. Man muss ihn und seinen Zirkus nicht mögen, aber man sollte ihn kennenlernen. Es lohnt sich.

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Von Georgina Szeless

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