Alles wirklich echt wahr — vielleicht

Musical „Catch me if you can“ feierte im Musiktheater Premiere

Frank Abagnale (Gernot Romic) und seine Flugbegleiterinnen
Frank Abagnale (Gernot Romic) und seine Flugbegleiterinnen © Barbara Pálffy

Am Anfang steht das Ende des Protagonisten, seine spektakuläre Verhaftung. Frank Abagnale, der international gesuchte geniale Hochstapler, wird am Flughafen von Miami in Handschellen gelegt. „Wir werden hier sicher keine Show abziehen“, startet FBI-Chef Carl Hanretty die Show. Die Story, nach Begebenheiten aus den Memoiren von Frank Abagnale selbst, wurde 2002 von Steven Spielberg verfilmt. Terrence McNally (Text) und Marc Shaiman (Musik) machten daraus ein Musical. „Catch me if you can“ feierte am Samstag im Linzer Musiktheater Premiere.

Anfangs spezialisiert sich Frank Abagnale auf Scheckbetrug. Mit 18 ist er schon zweifacher Millionär, jeder Cent gestohlen, und auf fünf Kontinenten gesucht. Als er einer Flugzeugcrew begegnet, lässt er sich eine Pan-Am-Uniform anfertigen. Als Pilot, Arzt, Anwalt kriegt er ohne jegliche Ausbildung jede Kurve, pariert jede Frage, charmant, wortgewandt und vor allem glaubwürdig. Zum Verhängnis wird ihm erst die Rolle als perfekter Schwiegersohn und Bräutigam. Seine geliebte Brenda liefert ihn aus Liebe und Naivität schließlich aus.

Artige Tanzrevue im Stil der 1960er

Die Show-Konstruktion besteht aus Rückblenden in Form einer Revue durch Franks Lebensstationen entlang der permanenten Verfolgungsjagd durch den FBI. Hanratty macht es sich zur Lebensaufgabe, den Trickbetrüger zu fassen. Immer dreister spielt Frank mit seinem Widersacher, der schließlich Parallelen zum eigenen Leben erkennt und den Jungen zu verstehen beginnt. Der großartige Karsten Kentzel als FBI-Agent zeigt anfangs zum Boogie „Brich kein Gesetz“ noch Contenance, doch dann explodiert er gelegentlich, bis er wieder zu erkenntnisreicher Gelassenheit findet.

Regisseur Ulrich Wiggers hütet sich, das Schmalz-Potential der Geschichte auszuschöpfen. Auch Dramaturg Arne Beeker lässt keinen Herzschmerz zu. Die Personen begegnen sich sachlich, abstrahieren sich zur artigen Tanzrevue im Stil der 60er. Liedertexte kühlen ab zu Selbstreflexionen oder Belehrungen wie „Der Nadelstreif ist das was zählt“. Vom Vater (Nicolas Tenerani) lernte der Sohn die Hochstapelei: „Kleiner Bub sei ein Mann“. Einzig Celina dos Santos als Brenda greift tief ins Romantische („Flieg, flieg ins Glück“). Für Eleganz steht als fremdgehende Mutter Daniela Dett.

Gernot Romic als Frank Abagnale ist weniger der elegante Betrüger und Lebemann als ein Mann mit insgeheim schlechtem Gewissen, ein Getriebener bis zur beglückenden Befreiung durch die Festnahme. Genießer lediglich im schelmischen Spiel mit seinem Verfolger, zu dem auch er eine Art Zuneigung fasst.

Das feine Live-Orchester in der Leitung von Juheon Han bewegt sich zwischen Swing, Boogie und Blues, dazu Tänzer auf der klassischen Showtreppe mit Choreos (Jonathan Hour) im Stil von 60er-Jahre- TV-Shows. Der wiederkehrende Song „Life und ganz in Farbe“ signalisiert, dass Farb-TV damals als Inbegriff von Fortschritt und Luxus galt. Fast schon traditionell die Linzer Kostümorgien. Hunderte Einzel- und Gesamtbilder stylt Franz Blumauer im Testbilddesign oder als Werbefläche nach Mondrian. Die Bühne von Leif-Erik Heine bewegt sich auf mehreren Eben edel und silbrig wie ein Jumbo Jet in Farben cool wie am Airport.

Ein vergnüglich dahinplätschernder Dreistünder mit Pause, der ein wenig mehr Herzschmerz schon vertragen hätte. Großer Applaus für die Homogenität aus Kostümen, Bühne, Technik, Tanz, Orchester und dem tollen Linzer Ensemble. Der echte Frank Abagnale arbeitet übrigens seit 40 Jahren beim FBI in der Betrugsbekämpfung. Und wenn es nicht gelogen ist, so steckt doch viel Wahrheit drin.

Von Eva Hammer

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