Als in Linz die Sexwelle zu rollen begann

Tribüne: Linzer Kulturverein Etty rollt in „Sex in Linz“ die Geschichte des horizontalen Gewerbes in der Stahlstadt auf - „Es geht um Respekt für Sexarbeiterinnen“

Mein Name ist Hase, mich sieht keiner: die 1. Peepshow Österreichs befand sich in Linz. © Andrea Prenner

Der Linzer Kulturverein Etty von Bettina Buchholz und Johannes Neuhauser, der demnächst mit dem Anerkennungspreis für Bühnenkunst des Landes Oberösterreich ausgezeichnet wird, widmet sich auch in seinem nächsten Werk wieder Historischem. In der szenischen Lesung, die am 16. November (19.30 Uhr) in der Linzer Tribüne Premiere feiert, geht’s um die Geschichte der Prostitution in der Stahlstadt: Eine Putzfrau erzählt in der Realsatire „Sex in Linz“, was sie so alles im Rotlichtmilieu erlebt hat und rollt dabei die letzten 40 Jahre auf.

„Angesichts der Multiproblemlagen in der Welt wollten wir gerade nicht politisch sein, es geht um den Respekt für Sexarbeiterinnen“, so Regisseur und Autor Johannes Neuhauser im VOLKSBLATT-Gespräch. Neuhauser hatte schon als junger Therapeut und Sozialarbeiter in Linz beruflich Kontakt mit Sexarbeiterinnen und Putzfrauen, die in dem Umfeld tätig waren. Das Thema interessiere ihn und seine Frau, die Schauspielerin Bettina Buchholz, schon lang. Nun bringen sie es berührend, aber auch mit viel Humor auf die Bühne.

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Vom Sexkino zur Bühne

Und dafür gibt es keinen passenderen Ort als die Linzer Tribüne, befand sich in deren Räumlichkeiten doch früher das Sexkino Eisenhand. Hier tritt die 65-jährige Putzfrau, gespielt von Buchholz, ihren letzten Arbeitstag an und plaudert ganz locker mit Herz und Humor, aber auch Tiefgang drauf los.

Die Erzählungen beginnen Ende der 70er-Jahre, in denen es noch keine Videothek und keine Websites gab und so mancher Mann ins Eisenhand ging, wo „Josefine Mutzenbacher – wie sie wirklich war“ lief. Anfang der 80er-Jahre ermöglichte dann eine Gesetzeslücke in Oberösterreich die 1. Peepshow Österreichs: „Solche Einrichtungen standen hierzulande nicht im Sittlichkeitsgesetz, die nächsten befanden sich in Hamburg und Zürich“, erzählt Neuhauser.  „Ende der 70er-Jahre begann damit die Sexwelle in Linz zu rollen.“

Die erste Frau, die ein Bordell in OÖ leitet

Einen Meilenstein im horizontalen Gewerbe von Linz markierte das Auftauchen von Frau Eva, der ersten Frau, die ein Bordell in Oberösterreich leitete, das Ostende, das es übrigens noch heute gibt. Nicht mehr mit Frau Eva, weil die nach einem Großbrand in ihrem Etablissement die Botschaft verstanden habe, dass die männliche Konkurrenz sie nicht mehr dahaben wolle, so Neuhauser: „Bemerkenswert an ihr war, dass sie sich für eine Gewerkschaft für ihr Gewerbe einsetzte und sich als klassische Puffmutter auch sonst um ihre Mädchen kümmerte.“

Laufhäuser und Lena

Dann entstehen Laufhäuser, in denen sich Prostituierte einmieten können. Und erstmals gibt es Unterstützung von außen: Sozialarbeiterinnen vom Verein Lena der Caritas statten ihnen regelmäßig Besuche ab. Neuhauser dreht für den ORF in Manila eine Doku über Schwester Soul, eine Ordensfrau, die Sexarbeiterinnen mitten im Rotlichtmilieu einen Rückzugsort bietet, ihnen zuhört und hilft, zeigt, dass diese Frauen Respekt verdienen.

„Heute werden Websites auch im Bereich Sex immer professioneller, Sexdolls tauchen auf, manche schon leicht KI-gesteuert“, so Neuhauser, dessen Erzählung damit in der Gegenwart ankommt, „die Freier dürfen sich wünschen, wie sie gekleidet sein sollen“.

Neuhauser geht in seinem Stück auch auf die Diskussion ein, ob die bestehenden Gesetze, die Menschenhandel schwer bestrafen und Sexdienstleistungen erlauben, so bleiben sollen oder ob man sich lieber an nordischen Ländern orientieren soll, wo Sexdienstleistungen verboten sind, Freier bestraft werden und damit in die Illegalität abgedrängt werden.

Musik aus der Zeit

Die szenische Lesung wird begleitet von Videomaterial und Musik aus der Zeit aus Linz („Nachtschwärmer“ von In-Seit samt Video von Rudi Dolezal), denn auch ein reges Nachtleben entwickelte sich damals in der Stadt. „Wer auf Voyeurismus setzt, der ist hier eindeutig falsch“, merkt Neuhauser am Schluss noch an: „Es wird nie explizit etwas gezeigt.“

Von Melanie Wagenhofer