„Animal“: Die einen konsumieren, die anderen geben

Kino: Aus dem Leben einer Animateurin – Sofia Exarchou schaut hinter die Kulissen der schönsten Zeit des Jahres

Kalia (Dimitra Vlagopoulou) ist nach vielen Jahren als Unterhalterin müde.
Kalia (Dimitra Vlagopoulou) ist nach vielen Jahren als Unterhalterin müde. © Homemade Films

Perfekt ist die Welt nicht, die die Touristen in dem Hotel erwartet, in dem Kalia (Dimitra Vlagopoulou) als Animateurin arbeitet. Alles hat einen billigen Touch, ein Hauch schmuddeliges Beige liegt über den Gebäuden, den Menschen, der Unterhaltung. Auch die Shows, die sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen bietet, glänzen nicht richtig, die Kostüme werden zusammengeschustert aus Allerlei.

Aber die Gäste lassen sich mitreißen und begeistern, solange genug Alkohol fließt, sind sie — und scheinbar auch die professionellen Unterhalter — zufrieden.

Die Gäste spielen in „Animal“ kaum eine Rolle, sie werden von der griechischen Regisseurin Sofia Exarchou als Beiwerk inszeniert, spielen sie ja auch keinen wirklichen Walzer im Dasein von Kalia. M

anchmal nimmt sie einen männlichen Gast mit an einen einsamen Strand, manchmal möchte sie auch, dass sich mehr entwickelt. Etwa mit dem Österreicher Jonas, den der Musiker Voodoo Jürgens in der österreichischen Koproduktion gibt.

Aber das Gefälle ist eben da, die einen konsumieren, und die anderen geben. Da darf man auch nicht zimperlich sein, Gegrapsche gehört zum Berufsbild.

Hinter den Kulissen wirkt anfangs alles harmonisch

Hinter den Kulissen wirkt anfangs alles harmonisch, Kollegen, die miteinander auch ohne Touristen feiern. Gemeinsames Geblödel hilft den Frust des Alltags zu ertragen. Der Sommer fängt gerade erst an, hyperaktiv hopsen die Animateure in die Saison. Erwachsene mit ADHS? Dazu wummernde Musik und schier endlose Szenen, in denen sich die Angestellten zum Affen machen.

Ein einsames Wesen mitten in dem billigen Spaß

Exarchou schont uns Zuschauer nicht. Auch wir müssen das ertragen. Wie wäre es erst, wenn wir die Urlauber auf Teufel komm raus animieren müssten?

Dann würden wir vielleicht auch häufig unbeobachtet auf unseren Betten in den kargen Dienstzimmern sitzen, das Augen-Make-up verschmiert, auf der Suche nach ein bisschen weniger Erschöpfung und Einsamkeit.

So sieht die Gegenwelt in „Animal“ aus. Wenn die Augen der Touristen nicht mehr auf die Animateure gerichtet sind, dann zeigt auch Kalia vielleicht so etwas wie ihr wahres Gesicht, ihr einsamen Wesen mitten in dem billigen Spaß.

Doch so genau erzählt uns das der dokumentarisch wirkende Film nicht. „Animal“ lässt die Zuschauer meist alleine mit ihren Schlüssen. Die Animateure als Tiere, die der Unterhaltung dienen bis zum bitteren Ende, bis sie unbrauchbar werden, die Körper ausgemergelt, wie die von Hühnern, die ihre Schuldigkeit getan haben.

Die Bilder, die Sofia Exarchou liefert, sind erwartbar, aber eindringlich, leider auf Dauer recht redundant, das Wesentliche erfasst man schnell. Nichtsdestotrotz liefert „Animal“ den Blick auf die andere Seite der Urlaubsfreuden, jene Seite, die keiner mitdenken will, wenn er sich einmal im Jahr so richtig vergnügt.

Von Mariella Moshammer

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