Bachmannpreis-Autorin Haidacher: „Fand Jelinek immer lustig“

Aus Haidachers Kabarett-Solo wurde ihr erster Roman © APA/EVA MANHART

Ulrike Haidachers Weg zur Schriftstellerin gleicht einer Annäherung mit Umwegen: Wollte sie nach der Matura noch Schauspielerin werden, kam sie zunächst eher zufällig zum Kabarett und erst Anfang 30 zur Prosa. Mit Erfolg: Ihr 2021 erschienenes Debüt „Die Party“ wurde von der Kritik hoch gelobt, im Sommer erscheint Roman Nummer zwei. Davor steht die 38-jährige Grazer Germanistin aber als Teilnehmerin des Wettlesens um den Bachmann-Preis noch auf einer ganz besonderen Bühne.

Für Lampenfieber hatte Ulrike Haidacher bis vor wenigen Tagen jedoch keine Zeit, hat sie doch gerade erst die letzten Termine ihres aktuellen Kabarettprogramms absolviert, die zugleich einen Einschnitt markierten: Es war das letzte gemeinsame Programm mit ihrer Bühnenpartnerin Antonia Stabinger, mit der sie seit 2009 das Duo „Flüsterzweieck“ gebildet hatte. Dass die beiden 15 Jahre gemeinsam auf der Bühne stehen und zahlreiche Preise – vom Jurypreis beim „Grazer Kleinkunstvogel“ bis zum Förderpreis des Österreichischen Kabarettpreises – gewinnen würden, war zu Beginn noch gar nicht absehbar, wie Haidacher im APA-Interview erzählt. So hatten die beiden „eher aus Spaß“ beim Kleinkunstvogel mitgemacht, überraschend den Preis gewonnen und dann einfach weiter gemacht. „Ich hatte immer schon auch Konflikte mit dem Kabarett-Genre, weil ich nie genau verstanden habe, was Kabarett eigentlich ist.“ Schließlich sei sie – nicht zuletzt durch das in Graz und Wien absolvierte Germanistik-Studium – vor allem von Literatur geprägt worden. „Ich habe gedacht, wenn es lustig ist, ist es Kabarett. Aber ich habe zum Beispiel Elfriede Jelinek immer lustig gefunden.“

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Und so waren die „Flüsterzweieck“-Programme immer auch stark von Sprachspielen, von Absurdität geprägt, nicht selten kam die Rückmeldung, doch sehr intellektuell zu sein. Irgendwann habe Haidacher dann bemerkt, dass sie Freude am Schreiben von längeren Texten hatte, „in denen es nicht alle fünf Sätze zu einem Witz kommen muss“. Zwar schreibe sie nach wie vor mit Humor, aber eher innersprachlich. „Klassische Witze verstehe ich teilweise nicht einmal, die muss man mir oft erklären“, lacht die Autorin, die ihren ersten Prosa-Text vor einigen Jahren in der Grazer Literaturzeitschrift „Lichtungen“ veröffentlichte, woraufhin sich die Lektorin Tanja Raich (damals noch bei Kremayr & Scheriau, seit 2021 im Leykam Verlag) bei ihr meldete und sie fragte, ob sie auch einen längeren Text habe. Spannend sei auch gewesen, dass in der Literaturszene niemand mehr gesagt habe, der Text sei zu kompliziert. „Umgekehrt: Sie haben gesagt, wie lustig er ist.“

Doch bevor Haidacher schließlich ihren ersten Roman „Die Party“ schrieb, war es doch noch ein Solo-Programm namens „Aus Liebe“, das der deutsche Regisseur Dieter Woll inszenierte. Erst daraus entstand schließlich das Gerüst für den Roman „Die Party“, in dem die weibliche Hauptfigur einem namenlosen Regisseur, den sie bei ihrem Job als Eis-Verkäuferin kennengelernt hat, in einen stickigen Keller zu einer „Koch-Party“ folgt, die schließlich eskaliert. Anfang 2024 wurde der Text am Schauspielhaus Graz erfolgreich für die Bühne adaptiert. „Das war dann spannend, einen Text auf der Bühne zu sehen, den ich zuvor selbst gespielt hatte“, erinnert sich Haidacher.

Und so sei ihr zweiter Roman „Malibu Orange“, der im Juli bei Leykam erscheint, streng genommen ihr „erster richtiger Roman“, da sie den Stoff von Grund auf als Roman konzipiert und geschrieben hat. Aus „Malibu Orange“ stammt auch jener Text, den sie in Klagenfurt lesen wird. „Ich habe das Kapitel aber so umgeschrieben, dass es als eigenständiger Text funktioniert. Das bin ich vom Kabarett gewöhnt, dass ich darauf gedrillt bin, Texte zu schreiben, die auf etwas hinauslaufen und ein klares Ende haben.“ Thematisch dreht sich der Bachmann-Text, zu dessen Einreichung sie von Klaus Kastberger eingeladen wurde, um Abschiede, der Roman handelt von einer Freundschaft zweier junger Frauen, die vom Erscheinen eines Mannes ins Wanken gebracht wird.

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Dass ihr ursprünglicher Traum, Schauspielerin zu werden, nicht aufgegangen ist, macht Ulrike Haidacher rückblickend froh. Nicht nur sei die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit im Kabarett und der Literatur größer, im Nachhinein blickt sie nicht zuletzt aufgrund der MeToo-Bewegung kritisch auf ihre ersten Aufnahmeprüfungen an Schauspielschulen. „Erst jetzt verstehe ich die Vibes, die ich damals wahrgenommen habe“, reflektiert Haidacher den Druck, den sie damals verspürt hat.

Als Germanistin – ihre Diplomarbeit schrieb sie über die Hörspiele von Elfriede Jelinek – hat Haidacher nur einige Jahre, etwa als OeAD-Lektorin in Ungarn, gearbeitet. „Ich wollte nicht in der Theorie, sondern praktisch mit Sprache arbeiten“, so die Autorin, die sich schon sehr freut, beim Bachmann-Preis auf all die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu treffen und sich auszutauschen. Angst, von der gestrengen Jury bloßgestellt zu werden, hat sie nicht. „Und auch wenn, ich glaube diese Dramen sind bald wieder vergessen“, lacht Haidacher. Und will sie gewinnen? „Wenn ich mit dem Wunsch zu gewinnen hinfahren würde, könnte ich nur enttäuscht werden. Nein. Ich fahre hin, um dabei zu sein.“

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