Bis wir uns dann „putzen“

Karin Peschkas ungeheuerlicher Roman „Putzt euch, tanzt, lacht“

Draußen liegen, die Wolken beobachten, aus denen mit einiger Fantasie das Arbeitsmarkt-Service grüßt: „Schweigend sehen wir zu, wie sich das AMS-Logo verändert, in Inseln zerfällt, in viele kleine Boote. Schwalben kreisen, von der Nachbaralm läuten die Kuhglocken, im Dorf zählt die Kirchturmuhr die Stunden, und Marek ist glücklich, denn er hat eine Hummel entdeckt.“

Früh verschlägt es den Leser auf eine Alm im Pinzgau, Menschen leben dort, angespült wie Strandgut. Fluchtpunkt die Hütte Fannis, der Ich-Erzählerin. Krisen und Wandel des einst so „braven, sauberen Rieder Mädchens“, das im Dorf Laurinz zur Außenseiterin wurde. Mit 57 ist Fanni abgehauen, sie hat „sich geputzt“, wie es mundartlich heißt.

Das ungeheuerliche Gespür für Menschen

Ungeheuerlich Karin Peschkas Gespür für Menschen, noch mehr, wie sie das in Sprache, in Erzähltes verwandelt. Nach und nach enthüllt Peschka im neuen Roman „Putzt euch, tanzt, lacht“ die Biografien der Almbewohner.

Man leidet und lacht auch mit Fanni, die erst bei ihrem Jugendfreund im Pinzgau landete und im Winter nach Wien irrte. Dort nach zwei Wochen von Tippi, der Frau Doktor, in der U-Bahn aufgelesen wurde.

Fanni? Fans von Karin Peschka haben längst aufgehorcht. So hieß auch die traurige Heldin in Peschkas famosem, grimmig-komischem Roman „FanniPold“ von 2016. Eine Frau im Umbruch, die nach einem Unfall beim Paragleiten (im Baum!) verblutete. Die Fanni in „Putzt euch, tanzt, lacht“ eine andere Möglichkeit von Fanni der Ersten. Sie lässt Haus und Familie radikaler hinter sich, nimmt auch psychische Abstürze (den großen?) in Kauf. Nur eine der bestürzend einfühlsamen Passagen dieses Buches: wie Tippi die in Panik kauernde Fanni zurück ins Leben geleitet.

Peschka erzählt, wie es gute Freunde tun. Sie hört zu, springt zischen den Zeiten, schweift ab. Ertastet die Geschichten der Almbewohner, des Ehepaars „Ohnezweifel“ oder von Marek, der sich vor Gewittern zu Tode ängstigt. Die von Velten, dem offiziell Langzeitarbeitslosen (stellungslos, nicht arbeitslos!), der Fanni in Italien auflas. Eine intime Nacht am Meer, Seelenverwandtschaft möglich.

Implantierte Mikrochips zur Personaldatenerkennung, Peschka siedelt den Roman in naher Zukunft an. Doch auch hintergründiger Witz der in Eferding aufgewachsenen, mehrfach ausgezeichneten Autorin, die zuletzt 2017 für „Autolyse Wien“ für den Österreichischen Buchpreis nominiert wurde.

„Putzt euch, tanzt, lacht“ hat das Zeug zum Klassiker der vermutlich noch turbulenten 1920er-Jahre. Dieses Buch ein Schatz, selbe Liga wie die nicht genug zu verehrende Marlen Haushofer.

Karin Peschka liest am 3. März (19.30 Uhr) im Linzer Stifterhaus

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