Bruckners Kunst und die Stimmen der Natur

Ein Besuch im „Klangwald“, den Künstler Peter Androsch zum Brucknerjahr 2024 gestaltet hat

Wann haben Sie das letzte Mal die Geräusche in Ihrer Umgebung explizit wahrgenommen? Und gibt es echte Stille? „Klangwald“ heißt das Projekt des Linzer Komponisten Peter Androsch zum Brucknerjahr 2024, mit dem er Entschleunigung und bewusste Wahrnehmung provoziert. Eintauchen kann man in das besondere Erlebnis bis 10. November.

Androsch und sein Team haben mittels KI eine Minute Bruckner auf 700 gedehnt und auf diese Weise zehn Symphonien des großen Oberösterreichers bearbeitet. Was Bruckner bis heute vorgeworfen wird, nämlich, dass seine Werke zu lange dauern und zu viele Wiederholungen aufweisen  –  damit spielt der Klangexperte und Komponist und nutzt es auf wohltuende Art und Weise für den Zuhörer, den Verweilenden.

Im „Klangwald“ von Androsch, einem kleinen Flecken auf einer Lichtung im Kürnberger Wald in Leonding, erklingen die Aufnahmen aus Geräten, die eineinhalb Meter unter der Oberfläche im Boden vergraben wurden. Bruckner selbst, also seine Totenmaske, beobachtet den Platz in dreifacher Ausfertigung aus dem 3D-Druckner an Bäumen angebracht, von oben herab.

Hat man den rund einen Kilometer langen „Aufstieg“ vom Parkplatz Hainzenbachstraße in Leonding (Koordinaten auf Google Maps: 862J + P49) geschafft, den man als Einstimmung auf die Entschleunigung betrachten kann, nimmt einen der Brucknersche „Erdenklang“ (Zitat Androsch) gleich ein. Er klingt gar nicht fremd im Konzert mit den Vögeln, dem Rascheln von Blättern und fernem Schiffs- und Straßenlärm.

Um herunterzukommen, empfiehlt der Künstler einen Aufenthalt von zumindest 15 Minuten, jeder Platzwechsel rund um die Töne aus dem Grund verändert den Sound. Und jede Jahreszeit ergibt ihre ganz eigenen Kompositionen. Echte Stille war nicht zu finden, dafür aber ein erholsames Erlebnis, das im Zusammenspiel von Kunst und Natur entgegen dem Strom unserer sonst so schnelllebigen Zeit erklingt.

Von Melanie Wagenhofer

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