Daniel Glattauer: Schuld und Sühne

In seinem Roman lässt der Autor Lebensrealitäten aufeinander prallen

Daniel Glattauer: Die spürst du nicht. Zsolnay Verlag, 304 Seiten, € 25,70 © Zsolnay Verlag

Türkis schimmert das Wasser auf dem Cover von Daniel Glattauers neuem Roman „Die spürst du nicht“. Ein Paar brauner Beine sieht man am oberen Rand des Buches, die Zehen Richtung Wasseroberfläche gestreckt.

Das Swimmingpool ist nicht nur das Bild des Einbandes, sondern auch der Ort des Geschehens. In einem Luxusferienhaus in der Toskana machen zwei Familien Urlaub. Familie Binder, bestehend aus der Werbefachfrau Melanie, dem Nobelwinzer Engelbert und Sohn Benjamin. Mit von der Partie sind die Strobl-Martineks.

Universitätslektor Oskar reist gemeinsam mit seiner Frau, der grünen Nationalratsabgeordneten Elisa Strobl-Martinek und den Sprösslingen Lotte und Sophie Luise in das Feriendomizil. Mitgereist ist auch Aayna, die aus Somalia stammende Schulfreundin der beiden Mädchen, zu der die braunen Beine am Beckenrand gehören.

„Die spürst du nicht“ spiegelt das Leben einer privilegierten Familie, welche sich als Gutmenschen verstehen, da sie einem Flüchtlingskind einen Traumurlaub ermöglichen. Zu ihrem Erstaunen taucht das wasserscheue Mädchen jedoch in einer Ganzkörper-Badekluft am Pool auf. Wird schon, denken die Erwachsenen und genießen einen Urlaub, der — man ahnt es — in einer Katastrophe endet. Nach den ersten Seiten nimmt die Geschichte eine überraschende Wendung.

Glattauer, der lange als Gerichtsreporter arbeitete, bezieht Pressemeldungen eines tödlichen Badeunfalls, an dem zwei Promi-Familien beteiligt waren, mit ein. Der Zynismus, dass ein einzelnes Flüchtlingskind, das im Pool ertrinkt, deutlich mehr Aufmerksamkeit erzielt als die vielen die im Mittelmeer beim Versuch, nach Europa zu kommen, versterben, wird gründlich ausgespielt. Obwohl sich alles um den Grundkonflikt unterschiedlicher Privilegien dreht, schafft es Glattauer, die Leser bei der Stange zu halten. Man will als Leser wissen, wie es weiter geht und wie die Protagonisten mit der Situation umgehen. Was wird aus der Karriere und dem Gewissen der Grün-Abgeordneten? Wie geht Sophie Luise mit der Frage der Schuld und Mitschuld um? Die Verantwortung wird letztlich ganz klassisch vor Gericht geklärt.

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