Das Biopic einer großen Liebe

„Maestro“: Bradley Cooper erzählt bravourös das Leben Bernsteins

Eigentlich ist der Titel eine große Täuschung, schließlich geht es in „Maestro“, Bradley Coopers zweiter, exzessiver Regiearbeit, nicht primär um die von ihm gespielte Titelfigur Leonard Bernstein, sondern um eine große Liebe.

Und zwar die zwischen dem Künstler und seiner Ehefrau Felicia Montealegre (Carey Mulligan). Zwei oscarwürdige Leistungen. Das Netflix-Drama ist vor der Bereitstellung auf dem Streamingdienst in den Kinos angelaufen.

Oscarwürdig

Cooper führte nicht nur Regie und war als Ko-Drehbuchautor eingebunden, sondern spielt den charismatischen Künstler auch. Die Rastlosigkeit, den Überschwang, die Energie des 1990 verstorbenen Bernstein erschafft Cooper ebenso wie dessen Unsicherheiten, Ambivalenzen.

Der Film erzählt von einer ebenso innigen wie komplexen Beziehung, die über die Jahrzehnte und eine zeitweilige Trennung ob Bernsteins Affären mit Männern Bestand hatte. Die Karriereerfolge des Musikers spielen hingegen nur eine periphere Rolle. Viele der vermeintlich zentralen Stationen wie die „West Side Story“ oder die legendären Kinderkonzerte werden allenfalls gestreift.

Aber auch wenn die privaten Momente im Vordergrund stehen, ist „Maestro“ doch beileibe kein nüchternes Kammerspiel, wofür vermutlich schon alleine die Beteiligung von Steven Spielberg und Martin Scorsese am Projekt bürgt, die letztlich als Produzenten fungierten. Schon am Beginn steht eine grandiose Kamerafahrt, wenn sich das kleine Kämmerchen Bernsteins im nahtlosen Laufschritt zur Carnegie Hall transformiert, als der Jungdirigent den Anruf als Einspringer erhält, der ihm den Weg an die Spitze der Zunft ebnen sollte. Oder das junge Paar morpht sich in eine Musicalszene aus Bernsteins frühem Erfolg „Wonderful Town“ hinein.

Optische Opulenz

Hier kommt das Können von Kameramann Matthew Libatique zum Tragen, der auch für den visuellen Stil von Darren Aronofskys „Black Swan“ oder „Requiem for a Dream“ verantwortlich zeichnete. Er lässt die Kamera mal frei tänzeln, dann wieder in längeren Dialogen schlicht auf Distanz zu den Protagonisten gehen. Das anfängliche Schwarz-Weiß wechselt dann zu Farbe, als es auch vom historischen Bernstein Farbaufnahmen gibt.

Ungeachtet dieser optischen Opulenz lebt „Maestro“ aber zentral von seinen Charakteren. Cooper gelingt der Balanceakt, die Zerrissenheit des stets unruhigen Bernstein zwischen dem nach innen orientierten Komponisten und dem extrovertierten Dirigenten auch als Brennen zwischen den vielen Interessen zu zeigen.

Dass „Maestro“ Bernsteins zweiten großen Kampf zwischen der Liebe zu Felicia und seinen Kinder und der zu Männern lediglich wiederholt andeutet, aber doch nicht explizit benennt, ist vielleicht der einzige Schwachpunkt, mutmaßlich aber auch der starken Einbindung der Familie in das Projekt geschuldet.

Dies tut dem Genuss jedoch nur einen bedingten Abbruch, Cooper am Ende bei einem ekstatischen Dirigat von Mahler zu sehen, der das völlige Aufgehen des Künstlers in der Musik paraphrasiert. Oder Cary Mulligan als ebenso gütige wie verletzte Ehefrau zu erleben, die am Ende des gemeinsamen Lebenswegs vom Krebs dahingerafft wird, was Lenny schließlich an ihre Seite zurückbringt. So ist „Maestro“ letztlich ein Biopic, das die Klippen des Genres wunderbar umschifft und zwei beeindruckende Menschen über ihr Leben hinweg begleitet.

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