„Das ganze Land wird 2024 in Bewegung sein“

Norbert Trawöger, künstlerischer Leiter des Brucknerjahres, über Bruckners Affen und andere Pläne

Norbert Trawöger, künstlerischer Leiter „Anton Bruckner 2024“
Norbert Trawöger, künstlerischer Leiter „Anton Bruckner 2024“ © Reinhard Winkler

Wer würde sich besser eignen, das Brucknerjahr 2024 zu planen, als ein profunder Kenner des großen oö. Komponisten. Norbert Trawöger, künstlerischer Direktor des Bruckner Orchesters, ist so einer. Im Interview spricht er über Bruckners Heimkehr, Bruckners Affen und Bruckner-Orte.

VOLKSBLATT: Wenn Sie auf Touristen treffen, welche Brucknerjahr-Höhepunkte würden Sie empfehlen?

NORBERT TRAWÖGER: Viele, und ich würde vor allem auf die Breite hinweisen. Da gibt´s natürlich die großen Konzertereignisse, den Bruckner-Zyklus des Bruckner Orchesters mit Markus Poschner, die Fokussierung im Brucknerfest, aber auch Ausstellungen in St. Florian und Ansfelden unter den „üblichen verdächtigen Ereignissen“. Auch die freie Szene wird mit dabei sein, Theaterstücke, Performance-Aktionen, ganz Oberösterreich wird in dem Jahr in Bewegung sein. Und wir arbeiten mit der Kulturhauptstadt zusammen, die Bruckner auch aufbrechen will in der Salinenhalle in Ebensee mit dem Bruckner Orchester, mit Chören. Einiges wird in verschiedenen Orten im ganzen Land stattfinden. Da haben wir schon einen Flächenbrand erzeugt, wo sich so viele Leute wie noch nie mit Bruckner beschäftigen. Gleichzeitig soll es auch immer eine Beschäftigung mit uns sein, wer sind wir eigentlich, denn für uns ist das alles so selbstverständlich: Bruckner, aber auch Kepler und die Gegenwart, die schöne Natur, die Kulinarik.

Warum das Motto „Bruckner is coming home“?

Ich glaube, dass wir ihn neu entdecken, das Pathos und die Weihrauchschicht kommen weg, die Biografie, das alte Klischee vom Gottesmusikanten, der immer verlebt war. Bruckner war ein Superstar, der vor 70.000 Leuten in London improvisiert hat, ein leidenschaftlicher Tänzer, ein guter Schwimmer, da gibt es so viele Facetten. Bruckner steht nicht für das Eindeutige und das hat auch wahnsinnig viel mit Oberösterreich zu tun, weil er hier unterwegs war, sehr verbunden war mit dem Land und trotzdem weit über das hinausweist. Er holt die Welt mit seinem Heimkommen nach Oberösterreich und lässt uns begreifen, dass wir ein Teil dieser großen weiten Welt sind.

Haben Sie im Zuge der Auseinandersetzung für das Brucknerjahr Neues über den Komponisten erfahren?

Allein das Theaterstück „Bruckners Affe“ in Wilhering! Im Stift hatten sie einst einen Affen. Ein Mühlviertler Arzt hat ihn aus Bombay mitgebracht, der Probst hat ihn gekauft. Bruckner war immer gern in Wilhering und es ist belegt, dass er Zeit mit dem Affen verbracht hat, daraus lassen Komponist Rudolf Jungwirth, Autorin Karin Peschka und Joachim Rathke, Leiter des Theaterspectacel Wilhering ein Stück entstehen. — Ich entdecke immer wieder neue Facetten von Bruckner. Das war ein unglaublich spannender, widersprüchlicher Mensch, auch mit vielen Krisen, der hat auch aus der Krise agiert. Es gibt eigentlich keine zeitgemäßere Figur aus der Geschichte, mit der wir uns jetzt beschäftigen. Die Kirchenoper „Der Findling“ nach einem Libretto von Hermann Schneider im Alten Dom ist eine Produktion des Landestheaters. Es gibt einen wahnsinnig originalen Brucknerort und das ist der Alte Dom, da steht die Orgel noch im Originalzustand drin. Das Stück stammt vom leider schon verstorbenen Komponisten Franz Hummel, die Susan Oswell macht das fertig und das wird im Juni 24 uraufgeführt.

Ist es mehr Vor- oder Nachteil, dass das Brucknerjahr und die Kulturhauptstadt 2024 zusammenfallen?

Ich empfinde es als wahnsinnigen Vorteil. Jetzt haben wir einen extremen Fokus auf Kultur durch das Brucknerjahr und die Kulturhauptstadt und wir machen auch extrem viel miteinander. Auch das Finale wird als gemeinsames Ereignis stattfinden. Miteinander ist man auch noch einmal stärker international.

Apropos Zusammenarbeit: Die von Stadt und Land ist ja nicht immer einfach verlaufen, gibt es da im Brucknerjahr eine Annäherung?

Bruckner verbindet, wenn wir das da nicht schaffen…. Das ist echt eine erfreuliche Sache, dass das funktioniert. Festivals der Stadt wie Stream sollen auch dabei sein, auch die Ars Electronica. Die Stadt-Land-Klammer ist da auch sehr intensiv bedient worden.

Gleichzeitig wurden Projekte der Stadt — etwa von Lentos und Nordico — von Landesseite nicht unterstützt und passieren jetzt quasi im städtischen Alleingang.

Es gab einen Call und daraufhin eine Flut an Einreichungen, mit der wir gar nicht gerechnet haben. Über die Projekte hat eine unabhängige Jury entschieden. Die Auswahl führt sehr in die freie Szene. Das heißt ja nicht, dass die anderen Projekte schlecht waren. Und aus dem Reservoir der Nicht-Bedachten versuchen wir auch noch einen gehörigen Anteil zu verwirklichen, zu vernetzen. Mein Ansinnen wäre, so viele wie möglich umzusetzen. Wir werden irgendwann im Sommer sagen können, in welchen Projekten wir drinstecken. Es werden Hunderte sein. Dieses Bild, dass das ganze Land in Bewegung ist, löst sich immer mehr ein.

Zeichnet sich für Sie ein Lieblingsprojekt ab?

Natürlich der Brucknerzyklus des Bruckner Orchesters in Verbindung mit der CD-Edition, alle Sinfonien in allen Fassungen spielen. Die CDs werden jetzt schon weltweit gefeiert. Darauf bin ich natürlich als künstlerischer Direktor des Bruckner Orchesters unglaublich stolz.

Und wie wird nun ganz Oberösterreich zur Bühne?

Wir werden uns quasi in Form eines Kirtags durchs Land bewegen, andocken an Sachen, die dort zum Thema Bruckner stattfinden, aber auch mit etwas hinkommen. Vöcklabruck etwa wird sich am 2. Juni 2024 einen ganzen Tag mit Bruckner beschäftigt mit Wanderwegen, Konzerten… Wir bringen in alle Orte die Vermittlung mit. Es wird zwölf Vermittlungsprojekte geben, für Groß, Klein, Schüler, Kinder, in allen möglichen Aggregatzuständen, ob Lehrmaterialien, ob Bruckner-Crashkurs. Nachhaltiger geht’s nicht.

Manche Orte sind ja als Wirkungsstätten Bruckners bekannt, insgesamt 35 Gemeinden werden jetzt zu Bruckner-orten.

In Vöcklabruck hat Bruckners Schwester gelebt hat. In Altpernstein hat er sich einmal in der Burg im Kerker einsperren lassen, weil er das Gefühl einmal erleben wollte. Bruckner war irgendwie ein Extremist. In St. Marienkirchen kannte er den Schulmeister…

2024 kommen Größen wie Mehta, Welser-Möst oder Thielemann nach OÖ. Ist das Brucknerjahr auch eine Chance für Nachwuchsmusiker?

Unbedingt, Welser-Möst wird ja mit dem Jugendsinfonieorchester arbeiten. Wir als Bruckner Orchester sind in der Vermittlung sowieso immer ganz nahe bei den Jungen dran. Das Musikschulwerk macht mit, es wird junge Orgeltage geben, wir werden mit der Kulturhauptstadt schon dieses Jahr die Fete de la Musique machen am 21. Juni im ganzen Land. Da ist viel, das die Jungen andockt, von Brucknercamps bis zu den grandiosen Jungen Brucknertagen gibt es viele Anknüpfungspunkte.

Es gibt Gerüchte, wonach sich Chefdirigent Poschner nach dem Brucknerjahr auf zu neuen Ufern machen könnte? Wäre es eine Option für Sie, mitzugehen?

Das ist nichts anderes als ein Gerücht. Das ist sowas von nicht spruchreif, dass ich mir das noch nicht einmal überlegt habe.

Mit NORBERT TRAWÖGER sprach Melanie Wagenhofer

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