„Das Gras war an der Stelle noch lange dunkel“

Crossing Europe: Doku „Endphase“ über Mord an 228 ungarischen Juden in den letzten Kriegstagen

Eine Aufnahme als Erinnerungsstück: Ganze Familien wurden noch in den letzten Kriegstagen ausgelöscht..
Eine Aufnahme als Erinnerungsstück: Ganze Familien wurden noch in den letzten Kriegstagen ausgelöscht.. © Crossing Europe/„Endphase“

In der Nacht von 2. auf 3. Mai 1945, wenige Tage vor Kriegsende, wurden im kleinen nö. Ort Hofamt Priel nahe Persenbeug im Bezirk Melk 228 ungarische Juden, Zwangsarbeiter, ermordet. Eine Tat, die bekannt geworden ist als Massaker von Hofamt-Priel oder Bartolomäus-Nacht von Persenbeug und eines der großen und letzten Endphase-Verbrechen ist.

In ihrer erschütternden Doku „Endphase“, die bei Crossing Europe im Wettbewerb läuft, gehen Hans und Tobias Hochstöger, Brüder aus Hofamt Priel, den Spuren dreier Überlebender ebenso nach wie denen der Täter und fördern zutage, was dem Zuseher wieder einmal schmerzlich bewusst wird: Die Opfer und ihre Nachkommen leiden bis heute, auf der anderen Seite wurde vertuscht, lange ein adäquates Gedenken verhindert.

Es war einer der berüchtigten Todesmärsche. Die SS trieb ungarische Juden, als die Russen näher rückten, gen Westen: Ziel Mauthausen. In Persenbeug fiel die grausame Entscheidung, die Gefangenen wurden nach Hofamt Priel getrieben, an einer Böschung mussten sie sich aufstellen, dann wurden sie erschossen, ihre leblosen Körper fielen in einen Graben, der zum Massengrab wurde. Es gab Zeugen, aber niemand sprach offen darüber.

„Das Gras war an der Stelle noch lange dunkel“, sagt im Film eine Bewohnerin des Ortes, deren Vater alles beobachtet hat. Wie durch ein Wunder überlebten drei Personen, die zum Teil schwer verwundet flüchten konnten.

Die Doku zeigt Gespräche mit Überlebenden und deren Nachkommen, fördert schlimme Kontinuitäten zutage. Die Filmemacher haben akribisch recherchiert, das Geschehen, an dem auch Einheimische beteiligt gewesen sein sollen, seit 2014 Stück für Stück zusammengesetzt. Inmitten all des Grauens flackert Menschlichkeit auf: Einzelne Bewohner zeigten Zivilcourage und halfen Gefangenen, bis 1960 wurde immer wieder Anzeige erstattet. Ohne Ergebnis, die Behörden sind dem nie nachgegangen. Eine Geschichte, die durch diesen Film nicht nur in den Familien der Überlebenden, sondern gerade auch an dem Ort, wo sie geschah, überdauern soll.

2.6.2021, 19.15 Uhr, Central
4.6.2021, 16.15 Uhr, Central

Von Melanie Wagenhofer