Das Innerste zeigen ohne Außen

Francisco Carolinum gibt Brendel, Buchwald und Hartzsch Raum

Micha Brendel, aus der Serie: Anencaphlie, Nr. 7, 1992
Micha Brendel, aus der Serie: Anencaphlie, Nr. 7, 1992 © Brendel

Es sind gleichermaßen laute Werke und stumme Schreie aus einem abgeriegelten Staat. Über 70 Einzelarbeiten des deutschen Künstlers Micha Brendel, entstanden von 1982 bis 2022, zeigt aktuell das Francisco Carolinum (FC) in Linz.

Er sei der „räudigste, der wölfischste“ der bis 30. April in der ehemaligen Landesgalerie zu sehenden drei Künstler, denen gemeinsam ist, in der DDR gelebt und gewirkt zu haben, erklärt der Kurator der drei Ausstellungen in einer, Christoph Tannert.

Mit Fleisch, Hirn und Haar aus dem Kollektiv

Brendels Arbeiten sind brutal und intensiv, lassen erahnen, was es für nicht legitimierte Künstler in der DDR bedeutet hat, das eigene Innerste nach außen zu tragen, wo es doch kein Außen gab, keine Individualität in einer Gesellschaft des Kollektivs.

Fotografien, Übermalung, Werke, in denen sich Aufnahmen von Schädeln totgeborener Föten finden, Fleisch, Blut, Gehirn, Haut. Und dann Ruhe, in neuesten Arbeiten wendet sich der 1959 Geborene der Handschrift zu, meditatives Betrachten der Welt.

„Die Geschichte dieser Ausstellung beginnt in Leipzig“, sagt der wissenschaftliche Geschäftsführer der OÖ Landes-Kultur GmbH, Alfred Weidinger. Dort wirkte Weidinger einst und kam mit der Leipziger Schule in Berührung. Doch es gab nicht nur die „offiziellen“ Künstler in der DDR, im Untergrund brodelte es. „Es gab Biotope, wo sich Künstler fernab des SED-Diktats entwickeln konnten.“

Und die holt Weidinger nun aus der Schublade und formt eine große „3 in 1-Schau“ im Obergeschoß des Hauses.

Die drei gezeigten Positionen bilden keine Gruppe, keine Schule, betont Tannert. Doch alle arbeiteten in einer quasi „Treibhaussituation“, ohne Bezüge, Erfahrungen, Vergleiche außerhalb der DDR. Nichtsdestotrotz lassen sich Parallelen zu internationalen Entwicklungen, Strömungen und Künstlern entdecken. „Ja, es gibt die Möglichkeit, das Fahrrad mehrfach zu entwickeln!“, so Tannert.

Oft auf humorvolle, „seiltänzerische“ Art zeige sich Kurt Buchwald in seinem Werk, erklärt der Kurator. Durch Rohre blickend kann das Umgebende betrachtet werden, Blenden zerstückeln Objekte, Ausschnitte begrenzen jeden Blick, es bleiben Fragmente von London, von Berlin, der Welt.

Die Überwachung durch das MfS (Ministerium für Staatssicherheit) war Erich W. Hartzsch in der DDR sicher. Ein Grund war sein künstlerisches Schaffen abseits des Kunstgeschmackes der SED. Das Francisco Carolinum zeigt u.a. Teile des filmischen Werkes von Hartzsch, alles auf Super 8, alle anderen Filmformate konnten in der DDR nicht gekauft und entwickelt werden, sie waren dem Staat vorbehalten. Ergebnis und Entstehen faszinieren.

Ort und Podium für Fallengelassene

Weidinger und Tannert betonen, in Linz sei keine rein historische Ausstellung zu erfahren, Bezüge zum heutigen Kunstverständnis und das Hinterfragen des Selbigen tun sich auf. Weidinger sieht in der Schau einen weiteren Baustein zur Positionierung des FC als Ort, wo „fallengelassene“ Künstler Platz und Podium finden. Ein gelungener Bauplan.

Von Mariella Moshammer

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