„Das neue Bauen“: Ausstellung zeigt Best Practice Beispiele

Die Österreichische Botschaft in Bangkok, geplant von Holodeck Architects © APA/holodeck architects

Dem Thema Bauen und Wohnen kommt bei der Energiewende ebenso entscheidende Bedeutung zu wie bei der Umorientierung in Richtung Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Rund 50 nationale und internationale herausragende Beispiele für verantwortungsvolles Bauen aus den Bereichen Neubau, Umbau bzw. Neunutzung und Sanierung sind ab morgen in der Ausstellung „Das neue Bauen: Sparsame Räume für die Zukunft“ im Wiener Ringturm zu sehen.

Dabei geht es nicht nur um energiesparendes Bauen und um einen ebensolchen Betrieb. Auch die Abtragung eines Gebäudes und die schonende Wiederverwertung von Materialien soll künftig in die Überlegungen mit einbezogen werden. Gezeigt werden vorbildliche Passivhaus-Realisierungen (Bauwerke, die ohne Fremdenergiezufuhr behaglich zu betreiben sind) ebenso wie das vermehrt propagierte Plus-Energie-Haus (Bauten, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen). Durch energetische Sanierungen und die Errichtung von PV-Anlagen können auch Bestandsgebäude zu Plus-Energie-Gebäuden werden.

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Mit einem Energie-Überschuss im Betrieb kann auch die zur Errichtung notwendig gewesene „graue Energie“ (der in einem Produkt steckende Energieaufwand, Anm.) kompensiert und das Gebäude in weiterer Folge klimapositiv werden. Auch der nächste Schritt, die Nutzung eines Gebäudes quasi als Kleinkraftwerk, ist möglich. „Gebäude können sogar das 5- bis 6-fache mehr Energie erzeigen als sie verbrauchen, inklusive der Lademöglichkeiten für E-Mobilität im Keller“, sagte Co-Kurator Adolph Stiller bei der heutigen Presseführung.

„Wir wissen seit vielen Jahren, wie es geht. Es gibt im Bereich klimagerechtes und effizientes Bauen nichts mehr zu forschen – es muss einfach getan werden“, betonte Co-Kurator Ernst Heiduk und nannte rasche Klimafreundlichkeit den einzigen Parameter, der künftig zähle. „Wenn ich nicht Klimaschutz betreibe, handle ich asozial! Aber wir leben leider in einer Gesellschaft, in der Beharrungsmechanismen enorm stark sind.“ So seien etwa Wärmeschutzrichtlinien erst nach 30 Jahren dort, wo die Wissenschaft sie damals haben wollte. „Es ist auch unumgänglich, diese Themen noch stärker in die Ausbildung hineinzubekommen“, meinte Stiller.

Heiduk ortete aber beim Bauen derzeit eher einen Backlash als einen Ruck in die richtige Richtung. „Im Bauboom hat es enorm viel Geld gegeben, gleichzeitig ist die Bauqualität aber drastisch abgesackt. Der Boom an Anlagewohnungen hat uns absolut nicht weitergeholfen. So gesehen bin ich fast froh, dass dieser Bauboom abgerissen ist, weil in dieser Zeit eine Masse mittelmäßiger Bauten entstanden ist, die uns noch einmal auf den Kopf fallen werden.“

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„Zeigen, wie’s gehen kann“, ist das Ziel der bis 7. Juni bei freiem Eintritt zugänglichen Ausstellung. Zu sehen sind etwa Beispiele für energiesparendes Bauen mit Naturmaterialien und nachwachsenden Bau- oder Dämmstoffen, die auch als Materialbeispiele die Projektvorstellungen ergänzen: So kann man etwa Bio-Baumwolle als Dämmmaterial ebenso anschauen und angreifen wie eine Stampflehmwand, Hanfziegel, Terrazzo mit Recyclingplastik oder Strohwandsysteme.

Die Kuratoren wollen aber auch zeigen, dass verantwortungsbewusstes Bauen zu anspruchsvollen architektonischen Lösungen führt. Zu sehen ist etwa das prototypische Bürohochhaus der TU Wien, das seit 2014 als Plus-Plus-Energie-Bürohaus funktioniert. „Die Mehrinvestitionen haben sich dort schon nach acht Jahren amortisiert“, betonte Heiduk und schwärmte auch von der Wohnhausanlage Wientalterrassen in der Käthe-Dorsch-Gasse: „Da ist es erstmals gelungen im Kostenrahmen des sozialen Wohnbaus Energieeffizienz zu erreichen. Der vermeintliche Mehraufwand ist keiner. Das ist die neue Benchmark im Sozialen Wohnbau.“

Zu sehen sind auch Best Practice Beispiele des Wiener Schulbauprogramms, eine als Lehmbau errichtete Werkhalle im Vorarlberger Schlins, Wohnhausanlagen, Bürobauten und ganze Stadtquartiere u.a. aus der Schweiz, Deutschland, Schweden, Norwegen und den Niederlanden. Und die 2017 als Plus-Plus-Energie-Gebäude errichtete Österreichische Botschaft in Bangkok zeigt, welche Lösungen sich durch Einbeziehung anderer Baukulturen und lokaler Materialien erzielen lassen.

In aktuellen Diskussionen gibt es die Forderung, aus Klimaschutzgründen in Europa nur mehr Bestandssanierung vorzunehmen und nichts mehr neu zu bauen. Hier seien generelle Aussagen nicht möglich, hieß es, denn jedes Bestandsgebäude müsse für sich und im Quartiersverband analysiert werden. Ernst Heiduk ließ jedoch klare Prioritäten erkennen: „Wir müssen gute neue Gebäude bauen, aber die Entscheidungen fallen in der Bestandssanierung. Wir wissen, wie es geht. Es gehört nur umgesetzt. Auch hier ist der richtige Weg, anhand von positiven Beispielen zu zeigen, was möglich ist und auch noch Vorteile bringt.“ Etwas, das die Ausstellung vorbildlich versucht.

Auch die 12. österreichweiten Architekturtage widmen sich am 7. und 8. Juni diesem Thema. Unter dem Motto „Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch“ geht es um die Notwendigkeit eines radikalen Umdenkens in Bauwirtschaft und Baukultur. „Wir müssen unsere Verwendung von nicht nachhaltigen Baupraktiken, die zu massiver Verschwendung, Ressourcenverknappung und Treibhausgasemissionen beitragen, stoppen“, fordert etwa Architektin und Bauingenieurin Catherine de Wolf, die als eine der Themenbotschafterinnen der Architekturtage 2024 fungiert.

„Das neue Bauen: Sparsame Räume für die Zukunft“, Ausstellung im Ringturm, Wien 1, Schottenring 30, Eröffnung heute, Dienstag, 18.30 Uhr, 10. April bis 7. Juni, Montag bis Freitag, 9-18 Uhr, an Feiertagen geschlossen, freier Eintritt. Katalog: „Architektur im Ringturm LXIV: Das neue Bauen.“ Mit Beiträgen u.a. von Ernst Heiduk, Anna Isopp, Romana Kanzian, Robert Pfaller. 220 Seiten, 32 Euro; 12. Architekturtage: „Geht’s noch? Planen und Bauen für eine Gesellschaft im Umbruch“, 7. und 8. Juni, architekturtage.at

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